LG Duisburg stellt Loveparade-Prozess ein – Mammutverfahren endet ohne Urteil

Das Landgericht Duisburg hat am 04.05.2020 den Prozess um das Unglück bei der Loveparade 2010 mit 21 Toten ohne Auflagen eingestellt. Bei den drei zuletzt verbliebenen Angeklagten hatte das Gericht zuvor nur eine geringe Schuld vermutet. Eines der aufwendigsten Strafverfahren der Nachkriegszeit endet damit nach knapp zweieinhalb Jahren und 184 Sitzungstagen ohne ein Urteil. Die Kammer wollte am 04.05.2020 im Anschluss an die Verkündung des Beschlusses noch ihre Erkenntnisse aus dem Verfahren vortragen.

21 Menschen starben bei der Loveparade 2010

In dem Prozess ging es um die tödlichen Verletzungen von 21 jungen Menschen bei einem Gedränge auf der Loveparade in Duisburg im Juli 2010. Mehr als 650 Menschen wurden verletzt. Einige leiden bis heute unter den Folgen. Wegen der vielen Verfahrensbeteiligten war in einem großen Saal des Kongresszentrums Düsseldorf verhandelt worden.

Zuletzt noch drei Mitarbeiter des Veranstalters angeklagt

Zuletzt hatten noch drei leitende Mitarbeiter des Veranstalters Lopavent auf der Anklagebank gesessen. Sie sind mittlerweile 43, 60 und 67 Jahre alt. Die Verfahren gegen sechs Mitarbeiter der Stadt Duisburg und einen weiteren Lopavent-Mitarbeiter waren bereits vor über einem Jahr eingestellt worden, ebenfalls ohne Auflagen. Die Anklage lautete auf fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperverletzung. Die Beteiligten sollen unter anderem schwere Planungsfehler begangen haben.

Nebenkläger waren gegen Einstellung

Anfang April 2020 hatte das LG die Einstellung des Verfahrens auch für die drei verbliebenen Angeklagten vorgeschlagen. Es begründete dies unter anderem mit zu erwartenden Corona-Einschränkungen und der absehbaren Verjährung des Tötungsvorwurfs Ende Juli 2020. Die Staatsanwaltschaft und die drei Angeklagten hatten zugestimmt. Angehörige von Todesopfern sprachen sich als Nebenkläger gegen eine Einstellung aus. Ihre Zustimmung war allerdings rechtlich nicht erforderlich. Der Einstellungsbeschluss ist unanfechtbar.

Druch Coronavirus bedingte Unterbrechung des Prozesses

Bei den drei verbliebenen Beschuldigten hatte bereits im Februar 2019 eine Einstellung gegen Geldauflage im Raum gestanden. Sie lehnten jedoch ab. Er wolle nicht auf sein Recht verzichten, freigesprochen zu werden, hatte ein Angeklagter damals als Grund angegeben. Für die übrigen drei Angeklagten ging es somit weiter – bis vor einigen Wochen das Coronavirus den Zeitplan sprengte. Nachdem zuletzt am 04.03.2020 verhandelt worden war, wurde der Prozess Mitte März 2020 unterbrochen, als eine Richterin vorsorglich unter Quarantäne gestellt wurde. Anfang April 2020 schlug das Gericht dann die Einstellung vor.

Gutachter hatte Planungsfehler bestätigt

Als nächstes war ursprünglich die Einführung des 3.800 Seiten umfassenden Gutachtens des Sachverständigen Jürgen Gerlach geplant. Schriftlich liegt es bereits seit Dezember 2018 allen Beteiligten vor. In dem Gutachten hatte der Verkehrsexperte festgestellt, dass das Unglück schon in der Planungsphase hätte verhindert werden können. Schon im Vorfeld habe es mehrere Anhaltspunkte gegeben, dass das Veranstaltungsgelände für die erwarteten Besuchermengen nicht geeignet war.

Anwälte kritisieren Einstellung

Anwälte von Nebenklägern und Angeklagten haben die Einstellung kritisiert. "Dies ist ein schlechter Tag für die Justiz", sagte Nebenklage-Anwalt Julius Reiter nach dem Ende der Sitzung. "Die Art und Weise der Beendigung unter Abwesenheit des Sachverständigen, den wir nicht befragen konnten, ist ein unwürdiges Ende des Prozesses." Von einem "Desaster" sprach Nebenklage-Anwalt Rainer Dietz. Er bemängelte, dass das 3.800-Seiten-Gutachten des Sachverständigen nicht mehr in das Verfahren eingeführt worden sei. Damit bleibe es vorläufig und in Zivilverfahren "juristisch stets angreifbar". Verteidiger Volker Römermann kritisierte dagegen, dass seinem Mandanten durch die Einstellung ein fairer "Abschluss des Verfahrens durch einen Freispruch verwehrt" worden sei. Das millionenteure Verfahren hätte keinen anderen Abschluss als einen "verjährungsbedingten Freispruch" ergeben.

LG Duisburg, Keine Angabe vom 04.05.2020

Redaktion beck-aktuell, 4. Mai 2020 (dpa).