Zugangsbeschränkte Militärbasis mit Geschichte
Der Kläger buchte bei der beklagten Vermittlungsagentur für Gastschulaufenthalte ein Gastschuljahr in den USA. Noch vor Antritt der Reise im Sommer 2016 erfuhr der Sohn des Klägers, dass die vermittelte Gastfamilie auf einer Militärbasis in der Nähe von Spokane/Washington wohnte. Diese Basis war bis zum Jahr 1990 Lagerort von nuklearen Sprengköpfen gewesen. Am 20.06.1994 hatte es dort einen Amoklauf mit vier Toten und 22 Verletzten gegeben. Vier Tage später war ein Flugzeug während einer Flugshow abgestürzt mit vier Toten. Seit dem 15.08.2016 war der Zutritt zur Militärbasis nur noch mit einem Berechtigungsausweis möglich.
Unzufriedener Vater fordert volles Entgelt zurück
Mit dieser Gastfamilie war der Kläger nicht einverstanden. Auf seinen Widerspruch bot die beklagte Vermittlungsagentur die Unterbringung des Sohnes bei einer alleinstehenden Gastmutter mit einem erwachsenen Sohn an. Dies lehnte der Kläger wiederum ab. Der Kläger trat vom Vermittlungsvertrag zurück und verlangte die vollständige Rückzahlung des Reisepreises von insgesamt 13.275 Euro. Die Beklagte erstattete 765 Euro für die nicht erfüllte Staatenwahl und 48 Prozent des Restpreises in Höhe von 6.004,80 Euro. Der Kläger klagte auf Rückzahlung des restlichen Preises.
LG: Kündigung unwirksam - Familie "mittlerer Art und Güte" ausreichend
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das LG erachtete die Kündigung für unwirksam, weil die Leistung der Vermittlungsagentur nicht mangelhaft gewesen sei. Die dem Gastschüler vermittelte Gastfamilie, die in den USA auf einer Militärbasis lebe, sei vertragsgerecht. Das LG verweist auf die Vorschrift des § 651 l Abs. 2 Nr. 1 BGB. Danach müsse eine Gastfamilie für eine bei Mitwirkung des Gastschülers nach den Verhältnissen des Aufnahmelandes angemessene Unterbringung, Beaufsichtigung und Betreuung des Gastschülers geeignet sein. Mit dieser Vorschrift habe der Gesetzgeber bezweckt, dass der Schüler aus pädagogischen Gründen in einer zufällig ausgewählten Familie, gewissermaßen einer Familie "mittlerer Art und Güte" untergebracht werde, so das Gericht.
Militärzugehörigkeit und Wohnen auf zugangsbeschränkter Militärbasis machen Familie nicht ungeeignet
Dass die Gastmutter im konkreten Fall als Mitarbeiterin der Krankenhausverwaltung Militärangehörige sei und Uniform trage, macht die Familie laut LG nicht als Gastfamilie ungeeignet. Für die Frage, ob eine Familie als Durchschnittsfamilie des Gastlandes anzusehen sei, komme es nicht in erster Linie auf den Beruf der Gasteltern an. Auch das Leben auf einer zugangsbeschränkten Militärbasis begründe für sich gesehen nicht die Ungeeignetheit, weil in den USA viele Menschen in sogenannten Gated Communities lebten. Es sei dem Gastschüler zuzumuten, dass damit der spontane Besuch eines Mitschülers erschwert oder gar unmöglich werde.Vorfälle auf Militärbasis kein Indiz für besondere Gefährlichkeit
Das Leben auf der Militärbasis sei auch nicht besonders gefährlich, so das LG weiter. Die mehr als 20 Jahre zurückliegende Lagerung von Atomwaffen, der Amoklauf und der Flugzeugabsturz seien dafür kein Indiz. Schließlich entspreche auch eine alleinstehende Gastmutter mit einem erwachsenen Sohn durchschnittlichen Lebensverhältnissen in den USA und könne eine angemessene Unterbringung gewährleisten.