LG Düsseldorf: Freispruch nach Wehrhahn-Anschlag wegen "dürftiger Beweislage"

Der Bombenanschlag auf eine Gruppe von Sprachschülern am Düsseldorfer S-Bahnhof Wehrhahn vor 18 Jahren bleibt vorerst ungesühnt: Das Landgericht Düsseldorf hat einen angeklagten 52-Jährigen am 31.07.2018 vom Vorwurf des versuchten Mordes aus Fremdenhass in zwölf Fällen freigesprochen. Die Beweislage sei zu dürftig gewesen, in den Zeugenaussagen habe es Ungereimtheiten gegeben, sagte der Vorsitzende Richter Rainer Drees(Az.: 1 Ks 17/17).

Rohrbombe richtete Blutbad an

Die selbstgebaute und mit TNT gefüllte Rohrbombe hatte am 27.07.2000 ein Blutbad angerichtet. Bei dem Bombenanschlag waren zehn Menschen aus einer zwölfköpfigen Gruppe verletzt worden, einige von ihnen lebensgefährlich. Ein ungeborenes Baby starb im Mutterleib. Bei den Opfern handelte es sich um Zuwanderer aus Osteuropa, viele von ihnen Juden.

Verteidigung des Angeklagten forderte Freispruch

Die Verteidigung hatte für den Angeklagten mit Kontakten zur rechten Szene, der über ein Jahr in Untersuchungshaft saß, Freispruch gefordert. "Die Beweisaufnahme hat den Nachweis für seine Täterschaft nicht erbracht", argumentierte die Verteidigung. Der Angeklagte sei von völlig unglaubwürdigen Zeugen belastet worden. Es gebe keine Spuren von ihm am Tatort.

LG hat ebenfalls Zweifel an Täterschaft

Das Gericht schloss sich den Zweifeln an. "Wir haben es uns nicht leicht gemacht mit dem Urteil", betonte der Vorsitzende Richter. Doch auch die Angaben der beiden Mithäftlinge, denen der Angeklagte die Tat gestanden haben soll, seien nicht tragfähig oder glaubhaft gewesen. Im Prozess hatten mehrere Zeugen ihre Aussagen zurückgenommen oder relativiert. Ihnen sei es möglicherweise zuvor bei ihren Aussagevarianten um Hafterleichterungen oder die Belohnung gegangen, vermuteten die Verteidiger. Der 52-jährige Angeklagte sei ein "Dampfplauderer und ein Dummschwätzer", aber kein hochgefährlicher Rechtsextremist mit soziopathischen Zügen wie von der Anklage behauptet.

Staatsanwaltschaft stützte sich auf Indizienreihe

Dagegen hatte die Staatsanwaltschaft auf lebenslange Haft plädiert. Der Angeklagte sei durch eine lange Reihe von Indizien überführt und zweifellos der Täter, hatte sie in ihrem Plädoyer gesagt. Unisono hatten sich die Vertreter der Nebenkläger angeschlossen und den Angeklagten als überführt bezeichnet: Er habe sich in mitgeschnittenen Telefonaten mehrfach verraten. Das Gesamtbild sei eindeutig und beseitige jeden Zweifel. Die Kammer sei im Begriff, "den schwersten Justizfehler in der Geschichte Düsseldorfs zu begehen", hatte Nebenklage-Vertreter Juri Rogner noch gewarnt.

Angeklagter mangels dringenden Tatverdachts bereits zuvor aus Haft entlassen

Überraschend kam der Freispruch nicht mehr. Die Kammer hatte den Angeklagten im Mai 2018 bereits auf freien Fuß gesetzt. Gegen ihn bestehe kein dringender Tatverdacht mehr, hatte sie damals bereits beschlossen.

Redaktion beck-aktuell, 31. Juli 2018 (dpa).