Tod von Mouhamed Dramé: Prozess endet mit Freisprüchen

Nach einem Jahr Verhandlung sprach das LG Dortmund Urteile im Fall eines von der Polizei getöteten 16-Jährigen. Das Gericht folgt der Staatsanwaltschaft nur zum Teil.

Im Prozess um die tödlichen Polizeischüsse auf einen 16-jährigen senegalesischen Geflüchteten in Dortmund sind alle Angeklagten freigesprochen worden. Das LG sah hielt beim Schützen noch beim Einsatzleiter eine Verurteilung für angemessen (Urteil vom 12.12.2024 - 39 Ks 6/23). Damit folgte das Gericht zumindest zum Teil den Anträgen der Anklage. Nach der Beweisaufnahme hatte die Staatsanwaltschaft für vier von fünf Angeklagten Freisprüche gefordert: So habe etwa der Schütze - wenn auch irrtümlicherweise - geglaubt, sich in einer Notwehrlage zu befinden.

Mouhamed Dramé, ein Jugendlicher aus dem Senegal, war am 8. August 2022 von fünf Schüssen aus einer Maschinenpistole der Polizei getötet worden. Er hatte im Innenhof einer Wohngruppe in einer Nische gelehnt und sich - vermutlich in Suizidabsicht - ein Messer an den Bauch gehalten. Um ihn zu entwaffnen, hatte der Dienstgruppenleiter den Einsatz von Pfefferspray angeordnet. Daraufhin bewegte Dramé sich mit dem Messer in der Hand auf die Beamten zu. Taser stoppten ihn nicht, direkt darauf schoss ein als Sicherungsschütze eingeteilter Beamter.

Nach Überzeugung des Gerichts ging es dem Schützen und den Beamten, die Pfefferspray und Elektroschocker eingesetzt haben, um den eigenen Schutz. Der sofortige Einsatz sei geboten gewesen. Die Beamten seien irrtümlicherweise davon ausgegangen, der junge Mann wolle sie angreifen. Tatsächlich habe er zwar versucht, der Situation zu entkommen. Dies konnten die Beamten in der Kürze der Zeit aber nicht erkennen, meint das Gericht.

Keine Fehler beim Einsatzleiter

Auch beim Einsatzleiter sah es keinen Fehler und keine Pflichtverletzung. Das sofortige Einschreiten sei durchaus nachvollziehbar gewesen, sagte der Vorsitzende Richter Thomas Kelm zur Urteilsbegründung. Die Beamten sollten den 16-Jährigen entwaffnen, weil die Gefahr bestanden habe, dass er sich das Leben nimmt. Es sei auch darum gegangen, dass unbeteiligte Dritte nicht gefährdet werden. Auch wenn heute im Rückblick klar sei, dass der 16-Jährige dies nicht vorhatte. "Nachher ist man immer schlauer, besonders, wenn man im Gerichtssaal sitzt", sagte Kelm zum Abschluss. 

Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrem Plädoyer dem Einsatzleiter fahrlässige Tötung vorgeworfen und sich für eine Haftstrafe auf Bewährung ausgesprochen. Er habe zu Unrecht und zu unüberlegt den Einsatz von Pfefferspray angeordnet - und so den fatalen Lauf der Dinge erst in Gang gesetzt. Die Polizisten hatten ihr Handeln vor Gericht stets verteidigt: Durch die Wirkung des Pfeffersprays sollte der sich selbst gefährdende Jugendliche das Messer fallen lassen. Als er dies nicht getan habe, sondern augenscheinlich zum Angriff übergegangen sei, hätten sie sich verteidigen müssen.

Die Polizeibeamten nahmen die Freisprüche mit ernsten Mienen auf. Die anwesenden Brüder des getöteten Geflüchteten hörten der Urteilsbegründung mit gesenkten Köpfen zu. Nach der Urteilsbegründung gab es laute Proteste im Zuschauerbereich. Die Wachtmeister mussten den Saal räumen lassen.

LG Dortmund, Urteil vom 12.12.2024 - 39 Ks 6/23

Redaktion beck-aktuell, zav, 12. Dezember 2024 (dpa).