Unerlaubtes Fahrzeugrennen mit Todesfolge
Regungslos hören sich die Angeklagten die Urteilsverkündung an. Der jüngere – ein Bundespolizist – verliert zudem seine bisherige berufliche Existenz. In keinem Vergleich dazu stünden die Folgen der Raserei für die Familie der Opfer, das betonen auch die Verteidiger der beiden Angeklagten in ihren Plädoyers. Der Richter spricht von "unendlichem Leid", das der Unfall für die Familie bedeute. Er legt den Männern die Teilnahme an einem unerlaubten Fahrzeugrennen mit Todesfolge und schwere Gesundheitsschädigung sowie fahrlässige Körperverletzung zur Last, dem Motorradfahrer zudem Unfallflucht.
38-jähriger Oldtimerfahrer stirbt
Als der 28-Jährige die Kontrolle über seinen Audi verlor, war er einem Sachverständigen zufolge wohl mit 120 Stundenkilometern unterwegs. Die Kurve ist den Berechnungen des Experten zufolge mit maximal Tempo 105 beherrschbar zu durchfahren. Der Vorsitzende Richter bilanziert, die beiden Männer hätten die physikalischen Grenzen ausgereizt. "Zwei rennbegeisterte Personen haben ihren Geschwindigkeitswahn ausgelebt." Der 38-jährige Oldtimerfahrer habe keine Chance gehabt, den Zusammenstoß mit dem Audi zu verhindern. Die Witwe des Mannes verfolgt den Prozess als Nebenklägerin.
Sohn seither schwerbehindert
Als der Staatsanwalt die zahlreichen, massiven und "nicht überlebbaren" Verletzungen aufzählt, die ihr Mann erlitt, kommen der Frau Tränen. Ihr Sohn, der bei dem Unfall auf dem Beifahrersitz saß, mehrere Knochenbrüche und eine Verletzung am Stammhirn davontrug, leidet bis heute unter den Folgen. Gehen, Sprechen, Essen und Trinken musste er neu lernen, auf einem Auge ist er nahezu blind, ein Arm gelähmt, ein Bein geschient. Er besucht nun eine Förderschule, absolviert täglich ein straffes Reha-Programm. Der Zehnjährige hat als Zeuge ausgesagt und mit seinem tapferen Auftreten die Zuschauer beeindruckt.
Staatsanwalt moniert zu wenig Schuldeinsicht
Nach Ansicht von Staatsanwalt und Nebenklage-Anwalt haben die beiden Angeklagten emotionslos auf die Aussage des Kindes reagiert und generell zu wenig Schuldeinsicht gezeigt. Positiv werten sie, dass die Männer im Rahmen eines Täter-Opfer-Ausgleiches 31.000 und 25.000 Euro an die Opferfamilie gezahlt haben. Zudem schrieb der Autofahrer nach dem Unfall Kondolenzbriefe. In ihren letzten Worten vor der Urteilsverkündung beteuern beide Angeklagte, dass ihnen das Geschehen leid tue.
Motorradfahrer kümmerte sich zunächst nicht um Opfer
Erschwerend wertet das Gericht beim Motorradfahrer, dass dieser die Unglücksstelle verlassen habe, ohne sich um die Opfer zu kümmern – und das, obwohl er von anderen Ersthelfern explizit darum gebeten worden sei. Zu Hause habe er sich Straßenkleidung angezogen. Danach sei er mit dem Auto zur Unfallstelle zurückgekehrt.
Richter fordert mehr Zivilcourage
Der Richter kritisiert, dass die Strecke als Raserstrecke bekannt sei. Auch der Motorradfahrer sei mit seiner gelben, hochmotorisierten Maschine als Raser bekannt gewesen. Zeugen hätten sinngemäß gesagt, dass man sich unter Nachbarn nun mal nicht anzeige, solange nichts passiere. "Wir brauchen mehr Zivilcourage", fordert der Richter.
Raser-Unfälle sorgen immer wieder für Aufsehen
Zuletzt sorgten in Deutschland mehrere Raser-Unfälle für Aufsehen. Am 15.11.2019 starb in München ein 14-Jähriger, als er von einem Raser an einer Ampel gerammt wurde. Vor zwei Wochen hatte das Landgericht Stuttgart gegen einen 21-Jährigen fünf Jahre Jugendstrafe verhängt unter anderem wegen eines verbotenen Rennens mit Todesfolge. In Darmstadt hatten die Richter in einem Raser-Prozess die Tat auch als Mord gewertet. Das Landgericht verurteilte den 19 Jahre alten Fahrer zu sechs Jahren und vier Monaten Jugendstrafe.
Mangels Vorsatzes keine Verurteilung wegen Mordes
Den für Mord erforderlichen Tatvorsatz sah der Richter im aktuellen Fall ausdrücklich nicht. Die Männer hätten niemanden töten wollen.