Die Patientin suchte die Praxis eines Orthopäden in Berlin-Kreuzberg auf, um ihre Rückenbeschwerden behandeln zu lassen. Auf ihren Wunsch wurde ein Anästhesist hinzugezogen, der eine Sedierung vornehmen sollte. Das Gericht stellte fest, dass dieser die Frau jedoch pflichtwidrig nicht darüber aufklärte, dass der Eingriff wegen ihres deutlich erhöhten Körpergewichts besonders riskant sei.
Trotz des erhöhten Risikos habe der Arzt nach der Verabreichung des Mittels die Körper- und Vitalfunktionen der Frau nicht überwacht und deshalb weder den einsetzenden Atem- noch den Herzstillstand rechtzeitig bemerkt. Auch als sich der Zustand der Patientin verschlechtert habe, habe er zunächst nicht reagiert. Erst die Hilferufe der Tochter, die das Geschehen durch ein Schlüsselloch beobachtete, hätten dazu geführt, dass weitere Ärzte eingriffen, die Frau reanimierten und den Notruf verständigten. Gegenüber der eintreffenden Notärztin habe der Anästhesist anschließend falsche Angaben gemacht. Die Patientin erlitt durch den Atemstillstand einen schweren Hirnschaden und starb drei Monate später im Krankenhaus an einer Infektion.
Kein strafausschließendes Einverständnis ohne Aufklärung
Die Vorsitzende der Strafkammer stellte klar, dass es sich nicht um ein Unglück gehandelt habe. Vielmehr habe der Anästhesist aus "reiner Selbstüberschätzung" medizinische Standards missachtet und gegen fachärztliche Regelungen verstoßen. Zwar habe die Patientin die Sedierung ausdrücklich gewünscht, ein wirksames Einverständnis habe jedoch gefehlt, weil sie nicht über die Risiken aufgeklärt worden sei. Damit erfüllte der Arzt nach Ansicht der Kammer den Tatbestand der vorsätzlichen Körperverletzung.
Einen Tötungsvorsatz konnte das Gericht hingegen nicht feststellen und sprach ihn deshalb vom Vorwurf des versuchten Mordes frei. Das Ausmaß der Pflichtverletzungen sei jedoch so gravierend gewesen, dass der Anästhesist den Tod der Frau leichtfertig verursacht habe.
Neben der Freiheitsstrafe verhängten die Richterinnen und Richter außerdem ein lebenslanges Verbot, als Anästhesist zu arbeiten. Die Vorsitzende betonte, dass Anästhesistinnen und Anästhesisten jederzeit in der Lage sein müssten, schnell auf Notfälle zu reagieren. Mit seinem Verhalten habe der Mann gezeigt, dass er für diesen Beruf dauerhaft ungeeignet sei.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Arzt kann Revision einlegen. Das Berufsverbot tritt erst in Kraft, wenn die Entscheidung rechtskräftig wird.