Stromversorger darf Abschlag nicht ohne Preiserhöhung anheben

Das Landgericht Berlin hat dem Energieversorger EnStroGa untersagt, Abschlagszahlungen seiner Kunden während des Abrechnungszeitraums einseitig und ohne wirksame Preiserhöhung anzuheben. Eine bloße Änderung der Beschaffungspreises berechtige nicht zu einer Erhöhung von Abschlagsforderungen, entschied das Gericht. Gegen die drastische Erhöhungen der monatlichen Abschläge hatte der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) geklagt.

Abschlagszahlungen drastisch erhöht

Die EnStroGa AG hatte ihren Stromkunden per E-Mail im Oktober 2021 eine Erhöhung der Abschlagszahlungen angekündigt. Statt 60 Euro sollte eine Kundin plötzlich 84 Euro im Monat zahlen – ein Anstieg von 40%. Das Unternehmen begründete die Anhebung damit, dass die alten Beträge nicht ausreichend seien, "um den für Ihren Zählpunkt benötigten Energieeinkauf sicherzustellen." So eine E-Mail erhielten auch Kundinnen und Kunden, die einen Vertrag mit eingeschränkter Preisgarantie abgeschlossen hatten. Preisanpassungen während der vereinbarten Laufzeit waren demnach nur zulässig, falls sich staatlich regulierte Preisbestandteile wie Steuern und Abgaben ändern. Für gestiegene Strombeschaffungskosten gilt dies nicht.

Höhere Abschläge waren vertrags- und somit rechtswidrig

Das Gericht schloss sich nun der Auffassung des vzbv an, wonach die Erhöhung der Abschlagszahlungen rechtswidrig war. Eine Anpassung der Abschläge sei zwar grundsätzlich zulässig, wenn sich der zu zahlende Strompreis während des Abrechnungszeitraums erhöht. Die EnStroGa habe sich aber nicht an den vereinbarten Anpassungsmechanismus gehalten und damit vertragswidrig gehandelt. Eine bloße Änderung des Beschaffungspreises berechtige nicht zu einer Erhöhung von Abschlagsforderungen. Nach den eigenen Geschäftsbedingungen hätte der Stromversorger erst den Strompreis wirksam erhöhen müssen, um anschließend die Abschlagszahlungen für den restlichen Abrechnungszeitraum an den höheren Preis anzupassen. Das habe der Stromversorger nicht getan. Bei Kunden mit eingeschränkter Preisgarantie wäre eine wirksame Preiserhöhung wegen gestiegener Beschaffungskosten auch gar nicht möglich gewesen.

vzbv verstärkt juristische Schritte gegen Energieanbieter

Der vzbv zeigte sich über die Entscheidung erfreut. Einige Unternehmen agierten auf dem Energiemarkt derzeit mit zweifelhaften Methoden und versuchten, sich auf Kosten der Verbraucherinnen und Verbraucher zu bereichern, sagt Kerstin Hoppe, Rechtsreferentin beim vzbv. Umso wichtiger sei das nunmehr ergangene Urteil. Der vzbv geht nach eigenen Angaben angesichts der Energiekrise verstärkt juristisch gegen Anbieter vor. Im Fokus stünden dabei vor allem unberechtigte Preisanpassungen, fehlerhafte Erhöhungsschreiben und Abschlagszahlungen. Im ersten Halbjahr 2022 habe der vzbv bereits so viele Abmahnungen ausgesprochen wie im Jahr 2021 insgesamt. Zudem bereite der vzbv zwei Musterfeststellungsklagen gegen die Energieversorger primastrom GmbH und voxenergie GmbH vor. Die Unternehmen erhöhten bereits seit Oktober 2021 massiv ihre Preise, obwohl sie bei Vertragsschluss jeweils eine 24-monatige Preisgarantie versprochen hätten. Der vzbv wolle gerichtlich feststellen lassen, dass die Preiserhöhungen unwirksam sind.

LG Berlin, Urteil vom 01.09.2022 - 52 O 117/22

Redaktion beck-aktuell, 6. Oktober 2022.