LG Berlin stärkt Schutz alter Menschen vor (Eigenbedarfs-)Kündigung

Mieter können vom Vermieter allein unter Berufung auf ihr hohes Lebensalter die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen. Dies hat das Landgericht Berlin entschieden. Damit war eine Räumungsklage, die eine Vermieterin nach einer Eigenbedarfskündigung gegen ihre 87- beziehungsweise 84-jährigen Mieter erhoben hatte, auch in zweiter Instanz erfolglos (Urteil vom 12.02.2019, Az.: 67 S 345/18).

Mieter widersprechen Eigenbedarfskündigung unter Verweis auf ihr hohes Alter

Die Parteien des Rechtsstreits streiten über die Räumung und Herausgabe einer von den mittlerweile 87- und 84-jährigen Beklagten im Jahr 1997 von den Rechtsvorgängern der Klägerin angemieteten Wohnung. Die Klägerin erklärte im Jahr 2015 die Kündigung des Mietverhältnisses wegen Eigenbedarfs. Die Beklagten widersprachen der Kündigung unter Verweis auf ihr hohes Alter, ihren beeinträchtigten Gesundheitszustand, ihre langjährige Verwurzelung am Ort der Mietsache und ihre für die Beschaffung von Ersatzwohnraum zu beschränkten finanziellen Mittel.

Bestehen gesundheitlicher Beeinträchtigungen für LG irrelevant

Das Amtsgericht Mitte hatte die von der Klägerin erhobene Räumungsklage abgewiesen. Die dagegen erhobene Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Das LG Berlin erkannte den Beklagten einen Anspruch auf eine zeitlich unbestimmte Fortsetzung des Mietverhältnisses gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB zu. Es hat es dabei dahinstehen lassen, ob die von den Beklagten behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen tatsächlich derartig erheblich sind wie vom AG angenommen. Die beklagten Mieter hätten sich berechtigt darauf berufen, dass der Verlust der Wohnung – unabhängig von dessen gesundheitlichen und sonstigen Folgen – für Mieter hohen Alters eine "Härte" im Sinne des § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB bedeute.

Keine Entscheidung zu Altersgrenze getroffen

Die Vorschrift sei mit Blick auf den durch Art. 1 Abs. 1 GG und das Sozialstaatsprinzip verkörperten und garantierten Wert- und Achtungsanspruch alter Menschen entsprechend weit auszulegen. Die Richter haben es dabei dahinstehen lassen, ab welchem Alter sich Mieter auf den Härtegrund "hohen Alters" berufen können, da das Lebensalter der bereits zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung über 80-jährigen Beklagten nach sämtlichen in Betracht zu ziehenden Beurteilungsmaßstäben hoch sei.

Berechtigtes Interesse des Vermieters an Kündigung hebelt eingewendetes "hohes Alter" nicht aus

Das LG hat gleichzeitig befunden, dass das als Härtegrund eingewandte hohe Alter des Mieters auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters bei nicht auf einer Pflichtverletzung des Mieters beruhenden Kündigungen durch den Vermieter in der Regel die Fortsetzung des Mietverhältnisses gebiete. Eine Interessenabwägung zugunsten des Vermieters komme grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn der Vermieter besonders gewichtige persönliche oder wirtschaftliche Nachteile für den Fall des Fortbestandes des Mietverhältnisses geltend machen könne, die ein den Interessen des betagten Mieters zumindest gleichrangiges Erlangungsinteresse begründeten. Ein solches müsse in seiner Bedeutung für den Vermieter über ein gewöhnliches "berechtigtes Interesse" zur Kündigung noch hinausgehen und an die Gründe heranreichen, die die Beendigung des Mietverhältnisses aus seiner Sicht berechtigterweise als geradezu notwendig erscheinen lassen.

Bloßer Komfortzuwachs begründet kein hohes Erlangungsinteresse

Ein entsprechend hohes Erlangungsinteresse könne die Klägerin aber nicht geltend machen, da die von ihr beabsichtigte Eigennutzung der Wohnung zum einen nicht auf eine ganzjährige Nutzung und zum anderen auf bloßen Komfortzuwachs und die Vermeidung unerheblicher wirtschaftlicher Nachteile gerichtet sei.

Revision nicht zugelassen

Das LG hat die Revision zum Bundesgerichtshof nicht zugelassen. Eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision würde eine Beschwer von über 20.000 Euro erfordern. Ob dieser Wert vorliegend erreicht ist, wäre vom BGH selbst zu entscheiden. Die schriftlichen Urteilsgründe liegen noch nicht vor.

LG Berlin, Urteil vom 12.03.2019 - 67 S 345/18

Redaktion beck-aktuell, 14. März 2019.

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