Flug annulliert: Rückerstattung der Ticketkosten nur für buchenden und zahlenden Fluggast
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Fluggäste eines annullierten und daher nicht durchgeführten Fluges können gegenüber einer Fluggesellschaft nur dann einen Anspruch auf Rückerstattung der Flugticketkosten nach der europäischen Fluggastrechteverordnung geltend machen, wenn sie die Flugtickets selbst bei der Fluggesellschaft gebucht und auch selbst bezahlt haben. Dies hat das Landgericht Berlin mit am Mittwoch veröffentlichtem Urteil klargestellt.

Plätze für fünf Personen gebucht und bezahlt

Bei der beklagten Fluggesellschaft waren für fünf Personen für einen Gesamtpreis von 1.008,57 Euro fünf Plätze für einen Hin- und Rückflug von und nach Berlin im Jahr 2020 gebucht und bezahlt worden. Der ursprünglich vorgesehene Rückflug vom spanischen Airport nach Berlin wurde von der beklagten Fluggesellschaft bereits vor dem Hinflug annulliert beziehungsweise auf einen zwei Tage späteren Termin verschoben.

Ansprüche an Legal-Tech-Unternehmen abgetreten

Einer der fünf Fluggäste trat weder den Hin- noch den Rückflug an, ein weiterer der fünf Fluggäste trat den Hinflug nicht an. Beide Fluggäste traten jeweils ihre Ansprüche im Zusammenhang mit der Buchung an die Klägerin ab, die als sogenanntes Legal-Tech-Unternehmen abgetretene Ansprüche von Fluggästen geltend macht.

Unklar, wer Tickets gebucht und bezahlt hat

Die Klägerin verklagte sodann die Beklagte erfolglos aus abgetretenem Recht für zwei Fluggäste vor dem Amtsgericht Wedding jeweils auf Zahlung von 201,71 Euro nebst Zinsen. Die Klägerin hat in beiden amtsgerichtlichen Verfahren jeweils nicht vorgetragen, wer von den fünf Personen die fraglichen Flüge gebucht hat, da sie die – zwischen den Parteien streitige – Auffassung vertreten hat, dass den Fluggästen diese Rückerstattungsansprüche unabhängig davon zustünden, wer die Tickets gebucht und bezahlt habe.

Gericht verweist auf EU-Recht

Die dagegen jeweils eingelegten Berufungen der Klägerin hat das LG Berlin zu einem gemeinsamen Berufungsverfahren verbunden und als unbegründet zurückgewiesen. Relevante Anspruchsgrundlage für die Rückerstattung von Flugticketkosten gegenüber einer Fluggesellschaft sei Art. 8 Abs. 1a der europäischen Fluggastrechteverordnung (VO EG 261/2004). Eine Auslegung dieser Vorschrift führe zu dem Ergebnis, dass Anspruchsinhaber dieses Erstattungsanspruchs (nur) derjenige Fluggast sei, der den Flugschein selbst gebucht und auch bezahlt habe.

Zahlung und Vertragsschluss erforderlich

So zeige ein systematischer Vergleich des Art. 8 Abs. 1a mit Art. 8 Abs. 2 der europäischen Fluggastrechteverordnung, dass Fluggästen die "Erstattung der Flugscheinkosten" nach der Intention des Verordnungsgebers nur dann zustehen solle, wenn sie Zahlungen aufgrund eines Vertrages geleistet hätten, so das LG. Ferner solle einem Verbraucher – als Fluggast – nach der Vorstellung des Verordnungsgebers nur dann eine Erstattung zustehen, wenn er auf den zugrunde liegenden Vertrag eine Zahlung geleistet habe. Ein Anspruch des Fluggastes auf Erstattung von Flugscheinkosten unabhängig von einem zugrunde liegenden Vertrag und unabhängig von einer auf diesen Vertrag geleisteten Zahlung des Fluggastes sei aus einem Vergleich mit Art. 8 Abs. 2 der europäischen Fluggastrechteverordnung mithin nicht zu folgern.

"Nicht selbst buchender" Fluggast nicht schutzlos

Werde dem "nicht selbst buchenden" Fluggast dagegen kein eigenes Erstattungsrecht aus Art. 8 Abs. 1a der europäischen Fluggastrechteverordnung eingeräumt, wenn die Buchung nicht in seinem Namen erfolgt sei, sondern er den Flugpreis nur an seinen "buchenden" Vertragspartner, beispielsweise an ein Reiseunternehmen gezahlt habe, führe das nicht dazu, dass dieser Fluggast schutzlos gestellt wäre. Vielmehr stehe diesem Fluggast das (eigene) Recht auf Rückzahlung des Flugpreises aus nationalem Recht gegenüber dem (buchenden) Vertragspartner, beispielsweise dem Reiseveranstalter, zu.

Frage von grundsätzlicher Bedeutung

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das LG Berlin hat die Revision zum Bundesgerichtshof mit der Begründung zugelassen, dass die in dem Rechtsstreit zu klärende Frage, ob jeder Fluggast oder nur der buchende und zahlende Fluggast zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs aus Art. 8 Abs. 1a der Verordnung aktivlegitimiert sei, grundsätzliche Bedeutung habe und bisher höchstrichterlich noch nicht entschieden worden sei.

LG Berlin, Urteil vom 24.03.2022 - 19 S 9/21

Redaktion beck-aktuell, 30. März 2022.