Tatmotiv "archaisch anmutenden Überlegungen"
Nach 42 Verhandlungstagen und der Vernehmung von 52 Zeugen zeigte sich das Gericht überzeugt, dass die 34-Jährige sterben musste, weil ihr Leben nicht den Moralvorstellungen der afghanischen Familie entsprach. Die Brüder hätten sich bei der Tat von "archaisch anmutenden Überlegungen" leiten lassen. "Dieses Recht, dieses Lebensrecht, haben sie ihr abgesprochen", sagte der Vorsitzende Richter Thomas Groß bei der Urteilsverkündung. Diese Motivation erfülle das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB.
Leiche im ICE nach Bayern transportiert
Am 13.07.2021 hätten sie die 34-Jährige in Berlin in eine Wohnung in Berlin-Neukölln gelockt, sie gefesselt, geknebelt, mit einem Tuch stranguliert und ihr anschließend die Kehle durchgeschnitten. Ihre Leiche hätten sie dann in einem Rollkoffer per ICE nach Bayern gebracht. Aufnahmen von Überwachungskameras zeigten zwei Männer im belebten Bahnhof Berlin-Südkreuz mit einem Rollkoffer. Die Fahrt ging nach Bayern, wo der ältere Bruder damals lebte. Rund drei Wochen später fanden Ermittler die Leiche der Frau in einem Erdloch nahe dem Ort Holzkirchen, knapp 30 Kilometer von Donauwörth entfernt.
Schwester wollte unabhängiges Leben führen
Das Gericht folgte mit seinem Urteil dem Antrag von Staatsanwältin Antonia Ernst. Die Brüder hätten die Frau "bestrafen und als Familienmitglied entfernen wollen", sagte Ernst in ihrem Plädoyer. Die von ihrem afghanischen Mann geschiedene Mutter habe unabhängig von ihren Brüdern in einer neuen Beziehung leben wollen. Die Angeklagten hätten die Frau "aufgrund ihres Geschlechts als etwas Minderwertiges angesehen", so Ernst. Der ältere Bruder hatte im Prozess die Tötung der Schwester gestanden, dabei aber eine Art Unfall in einem Streit geschildert. Sein Bruder sei nicht beteiligt gewesen, so der 27-Jährige. Seine Anwälte verlangten einen Schuldspruch wegen Körperverletzung mit Todesfolge und eine Haftstrafe von maximal fünf Jahren. Die Verteidiger des jüngeren Angeklagten plädierten auf Freispruch. Der Fall hatte für Schlagzeilen gesorgt und eine Debatte um den Begriff "Ehrenmord" und die gescheiterte Integration von Flüchtlingen ausgelöst.