Der Demonstrant hatte am 7. Oktober, dem Jahrestag des Hamas-Angriffs auf Israel, an einer Pro-Palästina-Kundgebung in Berlin teilgenommen. Auch Greta Thunberg war an diesem Tag in die deutsche Hauptstadt gekommen, um zu der Demonstration zu gehen. "Mir fehlen die Worte. Greta wütet gegen deutsche Polizisten" titelte die Bild-Zeitung einen Tag später. Den Artikel bebilderte sie mit Fotos, auf denen auch der Demonstrant zu sehen war. Eines der Bilder trug die Unterschrift "Islamisten und Israel-Hasser machten fröhlich Fotos mit …"; unter das andere schrieb die Bild-Zeitung "Selfie mit Judenhassern".
Der Teilnehmer war deutlich am Rand des einen Fotos zu erkennen, das ihn zusammen mit anderen Versammlungsteilnehmern und Greta Thunberg zeigte, die dabei ein Palästinensertuch sowie eine rosafarbene Corona-Maske trug. Für einen Instagram-Post verwendete die Bild-Zeitung ein Foto der Demo, auf dem der Mann wiederum zu sehen ist, teilweise aber durch andere Köpfe verdeckt wird. Eine Einwilligung des Mannes in die Veröffentlichung seines Bildnisses lag nicht vor. Da er mit der Publikation der Fotos nicht einverstanden war, setzte er sich mit einem Eilantrag zur Wehr – jedoch ohne Erfolg.
Das LG Berlin II hält die identifizierende Wort- und Bildberichterstattung für zulässig (Beschluss vom 29.11.2024 – 27 O 308/24 eV). Ein Unterlassungsanspruch stehe dem Mann nicht zu. Die Berichterstattung verletze ihn nicht in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht nach §§ 823, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG, §§ 22 f. KUG. Zwar habe der Demonstrant in die Veröffentlichung seines Bildnisses nicht eingewilligt. Diese sei aber dennoch zulässig. Schließlich habe es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte gehandelt (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG), das auch ohne Einwilligung verbreitet werden dürfe. An der Berichterstattung über propalästinensische Demonstrationen, die im Kontext der aktuellen Situation im Nahen Osten stattfinden, bestehe ein überragendes Berichterstattungsinteresse, so das Gericht. Dieses werde durch die Teilnahme der weltweit bekannten Klimaaktivistin Greta Thunberg noch verstärkt.
Teilnahme an öffentlich beobachteter Veranstaltung mindert Schutzinteresse
Bei der Abwägung der kollidierenden Rechtspositionen entschied das LG klar zulasten des Demo-Teilnehmers. Zwar sei er auf den Bildern identifizierbar, stehe aber nicht im Mittelpunkt, sondern habe nur den Charakter einer Randfigur. Zudem habe er bewusst für ein Foto mit Thunberg und weiteren Teilnehmern der Kundgebung posiert. "Dies tat er in einer Situation, in der mit einer intensiven Beobachtung durch die Presse und Dritte zu rechnen war", stellt das LG klar. Auf diese Weise habe er "gewollt Aufmerksamkeit" erregt. Das mindere sein Schutzinteresse. Bei dieser Sachlage schreibt das Gericht der Berichterstattung auch keine Pranger- oder stigmatisierende Wirkung zu.
Einen Unterlassungsanspruch des Mannes verneint das LG Berlin II auch hinsichtlich der ebenfalls angegriffenen Textberichterstattung. Es erachtet die Formulierungen "Judenhasser", "Islamisten und Israel-Hasser" sowie "schlimmsten Judenhassern. Darunter solchen, die das Wort Israel nicht einmal schreiben wollen, weil sie den Staat vernichtet sehen wollen" als "ggfs. grenzwertige, aber noch zulässige Meinungsäußerungen". Fraglich sei zudem, ob ein verständiger Durchschnittsleser diese Äußerungen überhaupt auf den Demonstranten bezieht, da er in der Berichterstattung nicht namentlich genannt werde. Insgesamt überwiege das Interesse der Öffentlichkeit an der Berichterstattung das Persönlichkeitsrecht des Abgebildeten.