Die Welt brachte einen Artikel, in dem sie nach der Festnahme eines Mitarbeiters von Maximilian Krah (AfD) unter Spionageverdacht die "ominöse China-Allianz in der AFD" untersuchte. Darin fand auch eine Referentin des "Arbeitskreis Außen" Erwähnung ("Neben seinem festgenommenen Mitarbeiter fällt innerhalb der Partei eine weitere ...-stämmige Referentin auf"), die zwar namentlich nicht benannt wurde, aber anhand des Textes identifizierbar war. Ihrer Ansicht nach wurde in dem Artikel behauptet, dass sie ebenfalls verdächtigt werde, für China zu spionieren. So werde etwa berichtet, dass sie durch die Sicherheitsüberprüfung im Bundestag "durchgefallen" war und keinen Zugang zu Geheimdokumenten habe. Dies verletze die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung. Der Forderung, diese Aussagen und andere zu unterlassen, kam die Welt nicht nach. Auch die Unterlassungsklage vor dem LG Berlin II war nicht erfolgreich (Urteil vom 06.03.2025 – 27 O 231/24).
Die Referentin werde durch diese Berichterstattung nicht rechtswidrig in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt und habe deshalb keinen Anspruch aus §§ 823, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB al, Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG auf Unterlassen dieser Äußerungen, so die Richterinnen und Richter. Der Beitrag reihe unstreitige Tatsachen aneinander und lasse anschließend die Leser ihre Schlüsse daraus ziehen. Darin liege ein Werturteil und kein Verdacht. Die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung seien deshalb nicht einschlägig.
Keine verdeckte Aussage, sondern vom Leser zu ziehende Schlussfolgerung
Diese Meinungsäußerungen waren nach Ansicht des LG auch nicht als sogenannte verdeckte Aussagen zu bewerten, mit der der Autor durch das Zusammenspiel offener Äußerungen eine zusätzliche Sachaussage treffen will oder sie dem Leser als Schlussfolgerung nahelegt. Die Kammer stellte insoweit klar: "Ein Vorwurf, dass die Klägerin selbst im Interesse ausländischer Mächte Einfluss nehme oder die Klägerin der Einflussnahme durch ausländische Mächte ausgesetzt sei, wird aber an keiner Stelle ausdrücklich oder verdeckt behauptet." Vielmehr habe der Artikel "über wahre Tatsache(n) berichtet und diese öffentlichkeitswirksam in einen Zusammenhang gebracht, um die zu ziehende Schlussfolgerung sodann ihren Lesern zu überlassen". Das sei eine Kernaufgabe einer freien und unabhängigen Presse.
Nach Abwägung der entgegenstehenden Grundrechte überwiegen den Berliner Richterinnen und Richtern zufolge die Meinungs- und Pressefreiheit: Die Referentin werde nur in ihrer Berufsehre und sozialen Anerkennung getroffen (Sozialsphäre). Die Schlussfolgerung, die der Leser ziehen könne, beruhe auf Anknüpfungstatsachen und sei nicht willkürlich aus der Luft gegriffen. Außerdem stehe die Klägerin nicht im Fokus des Artikels, sondern sei nur eine Randfigur des Beitrags.
Der Beitrag sei dem investigativen Journalismus zuzurechnen und bediene ein hohes öffentliches Interesse, erklärte das LG. Gerade in solchen Artikeln seien konkrete Fakten wie die von der Referentin bemängelten Aussagen unumgänglich, um ein gewisses Maß an Authentizität und Nachprüfbarkeit herzustellen.