Influencerin durfte in Doku über organisierte Kriminalität genannt werden

In einer Fernsehdokumentation über organisierte Kriminalität durfte identifizierend über eine Influencerin berichtet werden, deren Ex-Freund zu einer Haftstrafe verurteilt wurde. Das LG Berlin II bestätigte ein erhebliches Interesse der Öffentlichkeit.

Im öffentlich-rechtlichen Fernsehen lief eine Dokumentation über organisierte Kriminalität, die obdachlose und suchtkranke Menschen aus Osteuropa als Strohleute in Deutschland ausnutzt. Darin wurde auch über den ehemaligen Lebensgefährten einer Influencerin berichtet, der inzwischen erstinstanzlich zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt wurde. Dabei blendete die Doku ein Handy mit dem geöffneten Instagram-Kanal der Influencerin ein, zu sehen war auch ihr Account-Name (ihr Vor- und Nachname). Gezeigt wurden auch Videosequenzen aus ihrem Account, in denen die Influencerin unverpixelt zu sehen war. In dem Begleittext wurde berichtet, dass ihr Ex-Lebensgefährte einer der Organisatoren des gezeigten Betrugssystems und mittlerweile zu 10 Jahren Haft verurteilt worden sei. Bis zu seiner Verhaftung habe er ein Luxusleben geführt, seine Freundin, die Influencerin, habe ihr gemeinsames Luxusleben auf Social-Media-Kanälen präsentiert.

Die Influencerin sah sich in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt und verlangte von der Rundfunkanstalt Unterlassung. Die Anstalt war zur freiwilligen Unkenntlichmachung bereit und zeigt den Namen der Influencerin nun nicht mehr und ihr Gesicht nur verpixelt. Eine Unterlassungserklärung gab sie aber nicht ab. Die Influencerin wollte der Anstalt daraufhin per einstweiliger Verfügung die ursprüngliche identifizierende Berichtserstattung verbieten lassen.

Das LG Berlin II hat den Antrag abgelehnt (Urteil vom 24.09.2024 - 27 O 229/24). Die Influencerin habe keinen Anspruch auf Unterlassung der identifizierenden Berichterstattung. Sie sei nicht in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt, das Berichtsinteresse der Anstalt überwiege. Die gerügte Berichterstattung sei korrekt. Sie betreffe auch weder die Intimsphäre noch den Kernbereich der Privatsphäre, da die Influencerin ihr gemeinsames Luxusleben mit ihrem Ex-Lebensgefährten auf ihren Social-Media-Kanälen öffentlich zur Schau gestellt habe.

Informationsinteresse an Berührungspunkten organisierter Kriminalität zur bürgerlichen Gesellschaft

Außerdem verweist das LG auf ein erhebliches Interesse der Öffentlichkeit an einer Information über Erscheinungsformen und Auswirkungen der "Strohmann-Mafia" in Deutschland. Dabei gebe es auch ein Interesse der Öffentlichkeit an Information über die Beziehung der Influencerin zu ihrem bereits verurteilten Ex-Lebensgefährten. Denn es bestehe "ein öffentliches Informationsinteresse an Berührungspunkten organisierter Kriminalität zur bürgerlichen Gesellschaft", zu der sich die Frau als Influencerin und Unternehmerin zähle.

Die Berichterstattung belaste die Influencerin auch nur geringfügig, sie sei weder stigmatisierend noch habe sie eine Prangerwirkung. Denn in dem Bericht werde nicht behauptet, dass die Influencerin selbst in die Straftaten verwickelt gewesen sei oder davon gewusst habe. Darüber hinaus werde ihr Account-Name jeweils nur in einer Sequenz von einigen Sekunden gezeigt, vom Sprecher werde der Name der Influencerin nicht erwähnt.

Schließlich sei zu berücksichtigen, dass sich die Influencerin selbst als prominente Person sieht und bewusst die Öffentlichkeit gesucht hat. Täglich lasse sie etwa 170.000 Follower an ihrem Leben teilhaben.

LG Berlin II, Urteil vom 24.09.2024 - 27 O 229/24

Redaktion beck-aktuell, hs, 22. Oktober 2024.