LG Berlin: Hausratversicherung – Uhren mit Goldgehäuse unterfallen der Entschädigungsgrenze für Wertsachen

VHB § 19; ZPO § 91

Nach einem Urteil des Landgerichts Berlin unterfallen Uhren mit einem Gehäuse aus massivem Gold den in § 19 VHB geregelten Entschädigungsgrenzen für Wertsachen. Es handele sich um «Sachen aus Gold» im Sinn des § 19 Nr. 1 c. VHB. Erkennbarer Sinn und Zweck von § 19 VHB sei es, das Risiko des Hausratversicherers in sinnvoller Weise zu begrenzen. Diesem Sinn und Zweck werde hinsichtlich der Uhren Rechnung getragen, da Goldsachen auch dann, wenn sie nicht ganz aus Gold bestehen, ihr Wert aber vom Materialwert des Goldanteils wesentlich mitbestimmt wird, dem Diebstahlsrisiko in höherem Maße ausgesetzt seien als andere Sachen.

LG Berlin, Urteil vom 29.12.2016 - 7 O 141/16, BeckRS 2016, 124748

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Dirk-Carsten Günther
BLD Bach Langheid Dallmayr Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB, Köln

Aus beck-fachdienst Versicherungsrecht 23/2017 vom 16.11.2017

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Sachverhalt

Die Klägerin macht weitergehende Ansprüche aus einer Hausratversicherung wegen zwei bei einem Einbruchdiebstahl entwendeter Rolex-Uhren geltend.

In § 19 der vereinbarten VHB heißt es zu «Entschädigungsgrenzen für Wertsachen einschließlich Bargeld» auszugsweise:

«1. Wertsachen sind (…) c) Schmucksachen, Edelsteine, Perlen, Briefmarken, Telefonkarten, Münzen und Medaillen, sowie alle Sachen aus Gold oder Platin, (…)

3. Ferner ist für Wertsachen (…) die Entschädigung je Versicherungsfall begrenzt auf (…) insgesamt 20.000 EUR für Wertsachen gemäß Nr. 1 c.»

Die Beklagte zahlte an die Klägerin für Wertsachen gemäß Nr. 1 c VHB insgesamt 20.000 EUR aus. Die Klägerin behauptet, bei dem Einbruchsdiebstahl seien neben den entschädigten Sachen eine Damenuhr Rolex mit einem Gehäuse aus 18 Karat Gelb-Gold und einem mit 10 Diamanten besetzten Ziffernblatt sowie eine Herrenuhr Rolex mit einem Gehäuse aus 18 Karat Gelb-Gold gestohlen worden. Die unverbindlichen Preisempfehlungen betragen für die Damenuhr 24.250 EUR und für die Herrenuhr 25.800 EUR.

Die Klägerin meint, die Uhren unterfielen nicht den Entschädigungsgrenzen aus den VHB. Sie fordert im Weg der Teilklage je Uhr eine Versicherungsleistung in Höhe von 15.000 EUR. Widerklagend begehrt die Beklagte die Feststellung, dass der Klägerin hinsichtlich der beiden streitgegenständlichen Uhren keine Ansprüche zustehen.

Rechtliche Wertung

Das LG Berlin wies die Klage als unbegründet ab. Die Widerklage der Beklagten hatte hingegen Erfolg.

Der Klägerin habe keine weiteren Ansprüche wegen der entwendeten Uhren, so das LG. Denn für beide Uhren greife § 19 VHB mit den dort geregelten Entschädigungsgrenzen. Es handele sich jedenfalls um Wertsachen, konkret um Sachen aus Gold im Sinn des § 19 Nr. 1 c. VHB. Dahinstehen könne, ob die Uhren auch als Schmucksachen anzusehen sind. Die Grenze für Wertsachen gemäß Nr. 1 c. liege nach § 19 Nr. 3 c. VHB bei 20.000 EUR. Diese Summe habe die Beklagte unstreitig bereits gezahlt.

Die Auslegung der Klausel ergebe, dass die Uhren Sachen aus Gold im Sinn des § 19 Nr. 1 c. VHB darstellen, da sie jeweils ein Gehäuse aus 18 Karat Gelb-Gold aufweisen. Ein verständiger Versicherungsnehmer werde dem Wortlaut der Klausel entnehmen, dass «alle Sachen aus Gold» den Wertgrenzen unterfallen sollen. Im allgemeinen Sprachgebrauch stehe die «goldene Uhr» geradezu sprichwörtlich für eine Sache aus Gold. Im Hinblick auf Sachen, die nicht ganz aus Gold bestehen, habe der Versicherungsnehmer den erkennbaren Sinn und Zweck von § 19 VHB zu beachten, wonach das Risiko des Hausratversicherers in sinnvoller Weise zu begrenzen ist. Das Diebstahlsrisiko sei besonders groß bei Sachen von geringer Größe und erkennbar hohem Wert. Ein Dieb oder Hehler könne sich den reinen Materialwert des Goldes durch Umarbeiten oder Einschmelzen leicht zunutze machen. Das gelte auch dann, wenn der Materialwert des Goldes den Wert der ganzen Sache - wie hier - nicht erreicht.

Ohne Erfolg berufe sich die Klägerin auf die Entscheidung des OLG Koblenz (Beschluss vom 10.11.2011 - 10 U 771/11, r+s 2012, 246, Leitsatz in FD-VersR 2012, 331581). Dort sei das OLG zu der Auffassung gelangt, dass eine Uhr, die «teilweise mit Gold oder Platin besetzt» ist, weder Schmucksache noch eine Sache aus Gold oder Platin ist. Laut LG Berlin liege der Fall hier jedoch anders, denn die Rolex-Uhren waren nicht lediglich teilweise mit Gold oder Platin besetzt, sondern hatten je ein Gehäuse aus massivem Gold.

Praxishinweis

Mit seinem Auslegungsergebnis folgt das LG Berlin einer älteren Entscheidung des BGH (Urteil vom 16.3.1983 - IV ZR 111/81, VersR 1983, 573) sowie der Rechtsprechung des OLG Karlsruhe (Urteil vom 16.12.1993 – 12 U 249/93, r+s 1994, 267). In einer ähnlichen Sachverhaltskonstellation – Rolex-Herrenuhr aus massivem 18 Karat Weißgold und Platin und Damenarmbanduhr aus Gelbgold – hat jüngst das OLG Frankfurt a. M. das Eingreifen der Wertausschlussklausel bejaht (Urteil vom 26.07.2017 - 7 U 119/16, BeckRS 2017, 121732, Anmerkung Grams, FD-VersR 2017, 394384). Der Begriff «Goldsache» sei erfüllt, wenn wesentliche Teile des Gegenstandes zumindest überwiegend aus Gold bestehen. Da im Sachverhalt die Uhren aus massivem Gold hergestellt waren, konnte das Gericht offenlassen, ob unter die Klausel auch Gegenstände fallen, die nicht zumindest überwiegend aus Gold hergestellt sind.

Zweifel an der AGB-rechtlichen Wirksamkeit der gängigen Klausel hat die Rechtsprechung nicht (vgl.  OLG Frankfurt a.M. a.a.O).

Den Nachweis einer individuellen Vereinbarung zur Entschädigungsgrenze hat der Versicherungsnehmer zu führen.

Redaktion beck-aktuell, 30. November 2017.