"Berliner Mietendeckel": Mietzins-Einbehalt rechtfertigt nicht automatisch Kündigung
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Hat ein Mieter im Vertrauen auf die Wirksamkeit des "Berliner Mietendeckels" Teile des Mietzinses einbehalten, so rechtfertigt dies den Vermieter nur dann zur Kündigung, wenn er den Mieter nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Unwirksamkeit des "Berliner Mietendeckels" und vor Ausspruch der Kündigung zur Nachzahlung der einbehaltenen Beträge aufgefordert oder eine Mahnung ausgesprochen hat. Dies geht aus einem Beschluss des Berliner Landgerichts hervor.

Mieterin behielt Mietanteile ein - Vermieterin kündigte

Die Parteien streiten über die Räumung und Herausgabe einer von der Beklagten angemieteten Wohnung in Berlin-Moabit. Die Klägerin erklärte im Jahr 2021 die Kündigung des Mietverhältnisses wegen Zahlungsverzuges, unter anderem auch wegen einer Rückzahlung von Mietanteilen, die die Mieterin im Vertrauen auf die Verfassungsgemäßheit des sogenannten Berliner Mietendeckels seit März 2020 einbehalten und auch nach der Entscheidung des BVerfG vom 25.03.2021 (NJW 2021, 1377) nicht umgehend, sondern erst im Juni 2021 gezahlt hatte. Die Vermieterin blieb mit ihrer Räumungsklage vor dem Amtsgericht Mitte erfolglos. Das LG Berlin bestätigte dieses Urteil.

Folgen des BVerfG-Urteils für Mieter schwer zu beurteilen

 Zwar sei ein Vermieter grundsätzlich befugt, die nach Inkrafttreten des MietenWoG Bln von einem Mieter im Vertrauen auf die Wirksamkeit des "Berliner Mietendeckels" einbehaltenen Beträge zurückzuverlangen. Auch sei ein Verzug eines Mieters mit der Nachentrichtung der einbehaltenen Mietanteile abhängig von den sonstigen Umständen des Einzelfalls grundsätzlich geeignet, die außerordentliche oder zumindest die ordentliche Kündigung eines Mietverhältnisses zu rechtfertigen. Die sich aus der Entscheidung des BVerfG vom 25.03.2021 (NJW 2021, 1377) ergebenden Rechtsfragen seien aber für einen Mieter auch unter Heranziehung professionellen Rechtsrats nur aufwändig und schwer zu beurteilen, gibt das LG zu bedenken. Es komme hinzu, dass sich in solchen Fällen das Erfordernis einer zutreffenden Beantwortung dieser Rechtsfragen für einen Mieter nicht aus seinem eigenen Vorverhalten, sondern ausschließlich aus dem Handeln des Berliner Landesgesetzgebers ergebe.

Zahlungsaufforderung oder Mahnung des Vermieters erforderlich

Einer Zahlungspflichtverletzung im Zusammenhang mit der Entscheidung des BVerfG zur Verfassungswidrigkeit des sogenannten "Berliner Mietendeckels" komme deshalb das für eine außerordentliche oder ordentliche Kündigung erforderliche Gewicht jedenfalls solange nicht zu, als ein Vermieter gegenüber einem Mieter nicht seine eigenen rechtlichen oder tatsächlichen Schlussfolgerungen aus der Entscheidung des BVerfG ausdrücklich oder zumindest durch schlüssiges Verhalten kundgetan hat, etwa durch den Ausspruch einer Zahlungsaufforderung oder einer Mahnung. Beides habe die Vermieterin in dem hier entschiedenen Rechtsstreit unterlassen, sondern stattdessen umgehend die Kündigung erklärt, die deshalb unwirksam sei. Außerdem habe die Beklagte den Zahlungsrückstand vor Ausspruch der Kündigung freiwillig ausgeglichen. Auch das führe zur Unwirksamkeit der Kündigung.

Möglichkeit einer Revision noch zu klären 

Das LG weist darauf hin, dass es sich bei seinem Beschluss um eine Zurückweisung der Berufung im schriftlichen Verfahren gemäß § 522 Abs. 2 ZPO handelt, bei der eine gleichzeitige Zulassung der Revision ausgeschlossen ist. Eine Beschwerde gegen die unterbliebene Zulassung der Revision würde eine Beschwer von über 20.000 Euro erfordern. Ob dieser Wert vorliegend erreicht ist, wäre vom BGH selbst zu entscheiden.

LG Berlin, Beschluss vom 08.02.2022 - 67 S 298/21

Redaktion beck-aktuell, 10. Februar 2022.