An­kla­ge gegen frü­he­ren NS-Wach­mann nicht zu­ge­las­sen

Das Land­ge­richt Ber­lin hat die An­kla­ge gegen einen mut­ma­ß­li­chen ehe­ma­li­gen Wach­mann eines NS-Kriegs­ge­fan­ge­nen­la­gers ab­ge­lehnt. Der heute 99-Jäh­ri­ge sei aus ge­sund­heit­li­chen Grün­den dau­er­haft ver­hand­lungs­un­fä­hig, so das LG. Die An­kla­ge hatte dem Mann Bei­hil­fe zum Mord an min­des­tens 809 so­wje­ti­schen Kriegs­ge­fan­ge­nen vor­ge­wor­fen.

Vor­wurf der Bei­hil­fe zum Mord in Wla­di­mir-Wo­lynsk

Laut An­kla­ge­schrift soll der An­ge­schul­dig­te zwi­schen Ende No­vem­ber 1942 und Ende März 1943 Bei­hil­fe zum grau­sa­men Mord an min­des­tens 809 In­haf­tier­ten des Kriegs­ge­fan­ge­nen­la­gers "Sta­lag 365" in Wla­di­mir-Wo­lynsk ge­leis­tet haben. Als An­ge­hö­ri­ger eines Lan­des­schüt­zen­ba­tail­lons der Wehr­macht habe er unter an­de­rem die dort un­ter­ge­brach­ten so­wje­ti­schen Kriegs­ge­fan­ge­nen be­wacht. Die Kriegs­ge­fan­ge­nen seien an den Fol­gen der be­wusst un­zu­rei­chen­den Un­ter­brin­gungs- und Le­bens­ver­hält­nis­se sowie durch Er­schie­ßun­gen und Miss­hand­lun­gen ver­stor­ben. Der An­ge­schul­dig­te habe als Wach­mann einen de­zi­dier­ten Ein­blick in das La­ger­ge­sche­hen ge­habt. Ihm sei be­wusst ge­we­sen, dass er durch seine Tä­tig­kei­ten einen rei­bungs­lo­sen Ab­lauf der an­ge­ord­ne­ten Mas­sen­ver­nich­tung un­ter­stützt habe.

An­kla­ge wegen Ver­hand­lungs­un­fä­hig­keit nicht zu­ge­las­sen

Die Staats­an­walt­schaft hatte auf­grund des hohen Le­bens­al­ters des An­ge­schul­dig­ten ein Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ten zur Frage der Ver­hand­lungs­fä­hig­keit des An­ge­schul­dig­ten ein­ge­holt. Der Sach­ver­stän­di­ge sei zu dem Er­geb­nis ge­kom­men, dass bei dem An­ge­schul­dig­ten keine Ver­hand­lungs­fä­hig­keit vor­lie­ge. Eine Bes­se­rung sei zudem pro­gnos­tisch nicht zu er­war­ten. Das LG folg­te dem Gut­ach­ten und ließ die An­kla­ge daher aus recht­li­chen Grün­den nicht zur Haupt­ver­hand­lung zu. Über die Zu­las­sung der An­kla­ge ent­schied eine Ju­gend­kam­mer des LG, da der An­ge­schul­dig­te zum Zeit­punkt der ihm zur Last ge­leg­ten Taten 19 Jahre alt ge­we­sen sein soll und damit als Her­an­wach­sen­der ge­han­delt haben soll.

LG Berlin, Beschluss vom 02.11.2022 - 509 KLs 9/22

Redaktion beck-aktuell, 4. November 2022.