Mit Legal Tech durchstarten: Welche neuen Berufsbilder der Rechtsmarkt zu bieten hat
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Immer mehr Kanzleien und Rechtsabteilungen stellen gezielt Legal-Tech-Profis ein. Der Jura-Stellenmarkt ist voll von Legal-Engineer-Anzeigen, Legal Tech Manager und Prompt Engineers werden gesucht. Das "who is who" der neuen Legal-Tech-Berufe hat sich Hanna Weißer angeschaut.

Eine Karriere im Legal-Tech-Bereich ist für viele junge Juristinnen und Juristen reizvoll. Dabei ist Legal Tech – also technische Anwendungen, die Juristinnen und Juristen bei ihrer Arbeit unterstützen sollen – schon für sich genommen ein weites Feld: Von Software, die die Büroorganisation erleichtert, über automatisierte Rechtsdienstleistungen und Smart Contracts bis hin zu künstlicher Intelligenz und Large Language Models (LLM) wie ChatGPT. Die Anwendungsbereiche für Technologie in der Jura-Branche sind riesig und mitunter komplex; gleichzeitig ist ihr Potenzial so enorm, dass keine Kanzlei es sich leisten kann, dauerhaft auf den Einsatz von Legal Tech zu verzichten.

Diese Entwicklungen zusammengenommen haben auch den Arbeitsmarkt für Juristinnen und Juristen verändert. Es hat sich in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe neuer Berufsbilder entwickelt. Vom Legal Engineer über die Legal Tech Operations Managerin bis hin zum Prompter, stehen techaffinen Juristinnen und Juristen alle Türen offen. Da sich die Tätigkeiten aber teilweise überschneiden und keine der Berufsbezeichnungen geschützt ist, sind die Jobbeschreibungen oft nicht trennscharf. Welche neuen Berufe es gibt und wie sie sich unterscheiden.

Legal Engineer oder Legal Project Manager

Legal Engineers vermitteln zwischen Jura und Softwareentwicklung, um bestehende digitale Prozesse zu optimieren oder neue zu entwickeln. Sie sind gewissermaßen die Übersetzer des Rechts in Technologie. So integrieren Legal Engineers etwa maschinelles Lernen in bereits bestehende Arbeitsabläufe, z.B in Routinetätigkeiten wie die Postbearbeitung und Fristenberechnung. Auch bei konkreten Projekten oder Mandaten kann der Einsatz von Legal-Tech-Tools im Einzelfall sinnvoll sein. Hier kommen Legal Project Manager ins Spiel, die solche Tools für den konkreten Fall empfehlen und implementieren.

Um die reibungslose Kommunikation zwischen beiden Welten gewährleisten zu können, benötigen Legal Engineers und Legal Project Manager daher sowohl juristisches als auch technisches Wissen, idealerweise auch Kenntnisse und Erfahrung im Projektmanagement. Programmierfähigkeiten sind sicherlich hilfreich, aber keine zwingende Voraussetzung. Gesucht werden sie überall, wo sich die (Weiter-)Entwicklung digitaler Prozesse lohnt, also insbesondere in größeren Einheiten wie Unternehmen oder Großkanzleien, aber auch bei Softwareanbietern, die neue Produkte für den Rechtsmarkt entwickeln wollen.

Legal Prompt Engineer

Prompt Engineers entwickeln möglichst effiziente und zielgenaue Arbeitsaufträge für KI-Tools, insbesondere Large Language Models. Gemünzt auf den juristischen Anwendungsbereich bedeutet das vor allem, Vorgaben zum gewünschten sprachlichen Ausdruck zu machen ("formuliere wie ein Experte im juristischen Bereich") oder Anweisungen für bestimmte Vorgänge zu geben ("fasse das Urteil so zusammen, dass auch ein juristischer Laie die getroffenen Aussagen verstehen kann").

Ob sich "Legal Prompt Engineer" als eigenes Berufsbild in Kanzleien oder Rechtsabteilungen durchsetzen wird, ist noch unklar. Manche Kanzleien, wie etwa Osborne Clarke, haben zuletzt Prompt Engineers eingestellt. Andere juristische Arbeitgeber setzen dagegen eher auf Schulungen und Weiterbildungen, um all ihren Mitarbeitenden prompt-engineering-Fähigkeiten mitzugeben. Mit der zunehmenden Verbreitung von Large Language Models kann es sich also auch für Anwältinnen und Anwälte lohnen, sich bei ihrem Arbeitgeber nach einer entsprechenden Schulung zu erkundigen.

Legal Tech & Operations Manager

Legal Tech & Operations Manager entwickeln und implementieren Digitalstrategien für Rechtsabteilungen und Kanzleien. Insbesondere Routinetätigkeiten sollen durch die Anwendung digitaler Produkte verringert werden oder gänzlich entfallen, um die freiwerdenden Kapazitäten sinnvoller nutzen zu können. Auch die Automatisierung von Rechtsdienstleistungen lässt sich hierunter fassen.

Damit sind auch hier sowohl juristische als auch technische Kenntnisse erforderlich, die Jobbeschreibung ist meist nicht klar von der eines Legal Engineers abgrenzbar. Im Gegensatz zum Legal Engineer liegt beim Operations Manager der Fokus aber auf dem Projektmanagement. In entsprechenden Fortbildungen und Lehrgängen können Juristinnen und Juristen, insbesondere auch Wirtschaftsjuristen, best practices und Legal-Tech-Tools kennenlernen. Tätigkeitsbereiche sind vor allem größere Unternehmen und Großkanzleien, aber auch kleinere Start-ups und Kanzleien, die Strategien für ihre digitale Transformation benötigen.

KI-Juristinnen und Tech-Anwälte

In der klassischen anwaltlichen Beratungstätigkeit stellen sich ebenfalls Tech-Fragen. KI ist sogar ein stetig wachsendes Beratungsfeld. Mandantinnen und Mandaten, die KI-Tools einsetzen, wollen sich von ihrem Anwalt oder ihrer Anwältin zur Haftung oder zur datenschutzkonformen und urheberrechtskonformen Gestaltung beraten lassen. Hierbei handelt es sich also im Grunde um etablierte Rechtsgebiete, ergänzt um neue Anwendungsbereiche und Dimensionen.

Die fachlichen Anforderungen unterscheiden sich daher nicht wesentlich von denen, die auch an klassische Juristinnen und Juristen gestellt werden, die etwa im Bereich des Datenschutzrechts oder Urheberrechts beraten. Erforderlich ist aber zusätzlich ein technisches Verständnis hinsichtlich der Arbeitsweise von KI und der in Rede stehenden Legal-Tech-Software. Auch Kenntnisse im Bereich der Ethik können von Vorteil sein, etwa wenn es um die Ausarbeitung von Leitlinien für die KI-Nutzung geht.

KI-Juristinnen und -Juristen arbeiten regelmäßig in Großkanzleien und beraten Unternehmen zu diesen Fragen. Oder aber in interdisziplinären Teams, in denen Legal-Tech-Anwendungen entwickelt werden, z.B. in Unternehmensberatungen oder Softwareunternehmen.

Legal Tech in der Ausbildung und Fortbildung

Für Juristinnen und Juristen sind die Entwicklungen in Legal Tech, KI und Large Language Models in mehrfacher Hinsicht interessant: Die Nutzung solcher Technologie kann das Arbeiten in der Kanzlei oder dem Unternehmen effizienter machen und Teile der rechtsberatenden Tätigkeit nicht nur unterstützen, sondern perspektivisch auch ersetzen. Hinzu kommt ein steigender Beratungsbedarf über den Einsatz von KI, den Anwältinnen und Anwälte mit entsprechendem technischem Verständnis und Wissen abdecken müssen.

Entsprechend spielt Legal Tech auch in der juristischen Ausbildung eine immer größere Rolle: An der Universität Osnabrück kann beispielsweise ein Schwerpunktbereich "Digital Law" belegt werden, der sich u.a. mit Legal Tech beschäftigt. An der LMU München können Studierende der Rechtswissenschaften ein Zusatzzertifikat "Informationsrecht und Legal Tech" erwerben. Auch mehrere LL.M.-Programme widmen sich mittlerweile gezielt dem Thema Legal Tech, etwa der Studiengang "Legal Tech" in Regensburg oder "Rechtsinformatik" in Passau. Auch für Praktikerinnen und Praktiker gibt es eine Vielzahl an Fortbildungsmöglichkeiten, etwa in Form von Sommerlehrgängen oder Webinaren.

Legal Tech ist bereits jetzt aus dem Alltag der meisten Juristinnen und Juristen nicht mehr wegzudenken. Diese Entwicklung wird sich fortsetzen, beschleunigt durch die Entwicklung neuer KI-Anwendungen für den Rechtsmarkt. Und auch wenn die Stellenanzeigen für neue Legal-Tech-Berufe nicht immer trennscharf auseinandergehalten werden können, lohnt es sich, in diese Berufe hineinzuschnuppern. Zukunftsfest sind sie allemal.

Hanna Weißer ist Volljuristin und derzeit Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin am Institute for Law and Finance, Frankfurt am Main.

Redaktion beck-aktuell, Hanna Weißer, 24. Juli 2024.