Legal Tech Ver­band prä­sen­tiert Markt-Mo­ni­tor: Das Geld liegt nicht auf der Stra­ße
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Der Legal-Tech-Markt ist he­te­ro­gen, braucht drin­gend Ka­pi­tal – und Nach­wuchs. Das und mehr zeigt der Legal Tech Mo­ni­tor 2025. Wie es der Bran­che wirt­schaft­lich geht und wo noch un­ge­ho­be­nes Po­ten­zi­al liegt.

Der Legal Tech Ver­band hat am Diens­tag die Er­geb­nis­se sei­nes ers­ten Legal Tech Mo­ni­tors vor­ge­stellt. Ziel der Stu­die war es, den Markt mess­bar zu ma­chen und fun­dier­te Daten über die Legal-Tech-Land­schaft in Deutsch­land zu er­he­ben. Dafür haben die In­itia­to­ren ca. 300 Per­so­nen aus den Be­rei­chen Kanz­lei, Rechts­ab­tei­lung, Jus­tiz und Legal Tech be­fragt, 50 Ex­per­ten-In­ter­views durch­ge­führt und zahl­rei­che Daten über Legal-Tech-Play­er ge­sam­melt.

Der Mo­ni­tor gibt Auf­schluss so­wohl über die Un­ter­neh­mens­struk­tur von Legal-Tech-An­bie­tern als auch über deren Pro­duk­te, Ziel­grup­pe und Fi­nan­zie­rung. Ak­tu­ell spie­len laut der Stu­die etwa 300 Un­ter­neh­men mit einer agg­re­gier­ten Bi­lanz­sum­me von min­des­tens 800 Mil­lio­nen Euro eine Rolle in der deut­schen Legal-Tech-Land­schaft.

Die meis­ten Grün­der sind männ­lich

Ins­ge­samt ar­bei­te­ten etwa 10.000 Men­schen im Legal-Tech-Be­reich. Etwa die Hälf­te der Füh­rungs­kräf­te seien Ju­ris­tin­nen und Ju­ris­ten, ein Vier­tel habe einen be­triebs­wirt­schaft­li­chen Hin­ter­grund, eben­so viele hät­ten einen tech­ni­schen Beruf er­lernt. Der weit über­wie­gen­de Teil der Grün­de­rin­nen und Grün­der sei männ­lich.

Die Stu­die ist al­ler­dings nicht re­prä­sen­ta­tiv. Es sei eine "Selbst­ver­mes­sung" der Bran­che, wie Dirk Har­tung sagt. Der As­sistant Pro­fes­sor an der Yong Pung How School of Law und Autor der Stu­die stell­te die Er­geb­nis­se ge­mein­sam mit Co-Autor Lau­ritz Ger­lach, Ana­lyst am Bu­ce­ri­us Cen­ter on the Legal Pro­fes­si­on, vor. Der an­hal­ten­den Dis­kus­si­on über den Legal-Tech-Markt habe bis­her eine ge­mein­sa­me Tat­sa­chen­grund­la­ge ge­fehlt. Diese wolle der Legal Tech Ver­band mit dem Mo­ni­tor nun re­gel­mä­ßig bei­steu­ern.

Legal-Tech-Bran­che: he­te­ro­gen, dy­na­misch, hoch­spe­zia­li­siert

Bei der Stu­die ging es zu­nächst darum, einen Über­blick über den Markt zu geben: Wel­che Play­er spie­len eine Rolle? Wel­che Seg­men­te wer­den be­reits be­dient und wie ste­hen die Markt­teil­neh­mer wirt­schaft­lich da? Das zu de­fi­nie­ren, sei laut Stu­di­en­au­tor Har­tung gar nicht so ein­fach ge­we­sen, denn: "Was der Legal-Tech-Markt ist, wird von den ver­schie­de­nen Play­ern sehr un­ter­schied­lich be­wer­tet." Man habe des­halb be­wusst eine in­klu­si­ve In­ter­pre­ta­ti­on ge­wählt und ver­sucht, ein mög­lichst um­fas­sen­des Bild zu zeich­nen.

Wenig er­staun­lich also, dass die Stu­di­en­ergeb­nis­se einen Markt be­schrei­ben, der sehr he­te­ro­gen und spe­zia­li­siert ist und eine brei­te Pa­let­te an Pro­duk­ten und Dienst­leis­tun­gen um­fasst. Zu den häu­figs­ten zäh­len Kanz­lei- und In­hou­se-Soft­ware, Re­cher­che­tools, Ver­trags- und Do­ku­men­ten­ma­nage­ment-An­ge­bo­te, Com­pli­an­ce­tools, Steu­er- und Fi­nanz­soft­ware sowie Auf­trags­ent­wick­lun­gen für die Jus­tiz. Im Durch­schnitt sind die meis­ten Legal-Tech-An­bie­ter mit­tel­stän­di­sche Un­ter­neh­men, doch ein ge­naue­rer Blick zeigt, dass das Spek­trum au­ßer­or­dent­lich groß ist.

Beim Ver­such, die Bran­che zu seg­men­tie­ren, fällt auf: 2017 gab es eine Zäsur. Wer hier be­reits am Markt eta­bliert war, ist höchst­wahr­schein­lich ein grö­ße­res Un­ter­neh­men, für das Legal Tech nur eine von meh­re­ren Spar­ten dar­stellt und das das Ka­pi­tal für In­no­va­tio­nen selbst auf­bringt. Doch der Markt wan­delt sich, eine Grün­dungs­wel­le rief ab 2017 viele neue Play­er auf den Plan. Über­wie­gend sind das Start­ups, die sich ganz auf die Ent­wick­lung von Legal-Tech-Lö­sun­gen fo­kus­sie­ren, häu­fi­ger mit Fremd­kap­tal ar­bei­ten und den Markt sta­tis­tisch ge­se­hen schnel­ler wie­der ver­las­sen. Doch auch unter ihnen gibt es Er­folgs­ge­schich­ten.

B2G-An­bie­ter be­son­ders er­folg­reich – aber nichts für Ein­stei­ger

Auf­fäl­lig bei der Re­cher­che ist nach An­ga­ben der Ma­cher der Stu­die auch, dass mit etwa 70% der über­wie­gen­de Teil der An­bie­ter am Markt im B2B-Be­reich – dem Ge­schäft mit an­de­ren Un­ter­neh­men – ope­riert. An Ver­brau­che­rin­nen und Ver­brau­cher rich­ten sich dem­nach nur etwas mehr als 25% der An­ge­bo­te. Einen klei­nen – aber sehr fi­nanz­star­ken – An­teil macht der B2G-Be­reich, also Busi­ness to Go­vern­ment, aus. In der Ge­samt­schau be­trägt er nur 3%, bei der Bi­lanz­sum­me schlägt er da­ge­gen mit 13%* weit über­durch­schnitt­lich zu Buche.

Liegt hier also das un­ge­ho­be­ne Po­ten­zi­al für die Zu­kunft? Für die Stu­di­en­au­to­ren Har­tung und Ger­lach ist das nicht zwin­gend. Auf­trä­ge der Ver­wal­tung und Jus­tiz seien lu­kra­tiv, doch man brau­che einen lan­gen Atem, um sich in die­sem schwie­ri­gen Feld zu be­haup­ten. Hier do­mi­nier­ten die eta­blier­te­ren Markt­teil­neh­mer, da sie die lang­wie­ri­gen Ver­ga­be-Pro­zes­se und Pro­jekt-Lauf­zei­ten in Kauf neh­men könn­ten. Die stren­gen Re­gu­la­ri­en schlös­sen be­son­ders in­no­va­ti­ve Lö­sun­gen häu­fig sogar aus. Für Har­tung und Ger­lach han­delt es sich damit ins­ge­samt um ein Markt­seg­ment mit viel Po­ten­zi­al, aber auch vie­len Ein­gangs­hür­den. Für Ein­stei­ger habe sich eher der B2B-Be­reich als viel­ver­spre­chend er­wie­sen, da hier noch viele Pro­duk­te über klas­si­sche Ver­triebs­we­ge ver­kauft wür­den und we­ni­ger über Mar­ken­be­kannt­heit wie im Ver­brau­cher-Be­reich.

Fi­nan­zie­rung: Ka­pi­tal­be­darf bei wei­tem nicht ge­deckt

Neun von zehn Legal-Tech-An­bie­tern glau­ben, sehr gute Ge­schäfts­jah­re vor sich zu haben. "Eine un­glaub­lich op­ti­mis­ti­sche Bot­schaft", wie Har­tung sagt. Dabei zeigt die Stu­die, dass der Be­darf an ex­ter­nem Ka­pi­tal und das tat­säch­li­che In­vest­ment aus­ein­an­der­klaf­fen. Zwar gaben fast 50% der Be­frag­ten an, be­wusst auf frem­des Ka­pi­tal zu ver­zich­ten (sog. Boot­strap), gut 40% brau­chen aber ein Ka­pi­tal von mehr als 500.000 Euro jähr­lich, wäh­rend sie im ver­gan­ge­nen Jahr nur zwi­schen 100.000 und 500.000 ein­ge­sam­melt haben. Rund 61% der An­bie­ter steht gar kein frem­des Ka­pi­tal zur Ver­fü­gung.

Pro­ble­ma­tisch ist das laut Har­tung und Ger­lach vor allem für Ein­stei­ger, denn: "Es ist schwie­rig, Legal Tech (einem In­ves­tor) zu er­klä­ren". Der Ka­pi­tal­zu­gang sei zwar grund­sätz­lich nicht schlecht, aber wer noch nicht pro­fi­ta­bel sei, habe es schwer. Da könne staat­li­che Fi­nan­zie­rung hel­fen. Doch laut der Stu­die spielt öf­fent­li­che För­de­rung bis­her noch kaum eine Rolle. Es gebe aber auch Er­folgs­ge­schich­ten, be­tont Har­tung –  etwa Rightmart, das von In­ves­to­rin­nen und In­ves­to­ren 27 Mil­lio­nen Euro ein­ge­sam­melt habe, oder Bry­ter, das mit 66 Mil­lio­nen Euro dabei ge­we­sen sei. Dass so viele Un­ter­neh­men aber von vorn­her­ein auf Fremd­ka­pi­tal ver­zich­te­ten, zeige, dass Boot­strap­ping in der Bran­che gut funk­tio­nie­re.

In­vest­ment wäre auch beim Nach­wuchs nötig

Im Rah­men der Be­fra­gung in­ter­es­sier­te sich der Legal Tech Ver­band auch für die ak­tu­el­len Her­aus­for­de­run­gen und Sor­gen der An­bie­ter. Hier nann­ten die Be­frag­ten neben Ver­trieb (40%) und Pro­dukt­ent­wick­lung (35%) vor allem die Nach­wuchs­ge­win­nung als zen­tra­le Her­aus­for­de­rung. Ins­be­son­de­re, wenn es um tech­ni­sche Ex­per­ti­se gehe, ge­stal­te es sich schwie­rig, qua­li­fi­zier­tes Per­so­nal zu fin­den. So gaben ca. 54% der Legal-Tech-An­bie­ter an, tech­ni­sches Per­so­nal zu fin­den sei schwie­rig oder sehr schwie­rig. Für ju­ris­ti­sches Per­so­nal gaben das 41% an.

Die­ser Per­so­nal­man­gel er­schwe­re die Zu­sam­men­ar­beit zwi­schen ju­ris­ti­schen und tech­ni­schen Ab­tei­lun­gen und habe zum Teil fi­nan­zi­el­le Grün­de, so die Stu­di­en­lei­ter. Die ver­füg­ba­ren Bud­gets für Legal Tech und Legal Ope­ra­ti­ons va­ri­ier­ten stark je nach Un­ter­neh­mens­grö­ße. Etwa ein Drit­tel der be­frag­ten Un­ter­neh­men habe über­haupt kein Bud­get für diese Be­rei­che zur Ver­fü­gung.

Ein gro­ßes Pro­blem sehen Har­tung und Ger­lach auch in der man­gel­haf­ten Aus­bil­dung im Legal-Tech-Be­reich. Zwar ver­such­ten ei­ni­ge Uni­ver­si­tä­ten, mit spe­zi­el­len An­ge­bo­ten tech­nisch ver­sier­te Ab­sol­ven­tin­nen und Ab­sol­ven­ten auf den Markt zu brin­gen, es gebe aber auch kon­ser­va­ti­ve Hoch­schu­len, die sich darum bis­lang nicht küm­mer­ten. "Das Ju­ra­stu­di­um muss re­for­miert wer­den, tech­ni­sche In­hal­te müs­sen Ein­zug hal­ten", so Har­tung.

Ins­be­son­de­re im Re­fe­ren­da­ri­at fehle es an Aus­bil­dungs­an­ge­bo­ten im Legal-Tech-Be­reich, was auch die Nach­wuchs­zah­len in der Jus­tiz ne­ga­tiv be­ein­flus­se. Hier ist der Per­so­nal­man­gel laut Stu­die be­son­ders gra­vie­rend. Tech­nisch in­ter­es­sier­te Ab­sol­ven­tin­nen und Ab­sol­ven­ten näh­men die Jus­tiz nicht als Legal-Tech-af­fi­nen Ar­beit­ge­ber wahr, so Har­tung. Junge Leute woll­ten nach dem Ab­schluss ler­nen, was man ihnen im Stu­di­um nicht an­ge­bo­ten habe, so Har­tung, "aber das ler­nen sie nicht in der Jus­tiz".

Die In­itia­ti­ve für den Legal Tech Markt­mo­ni­tor kommt vom Legal Tech Ver­band Deutsch­land, un­ter­stützt wird die erste Aus­ga­be des Mo­ni­tors vom Ver­lag C.​H.​BECK, zu dem auch beck-ak­tu­ell ge­hört, dem Legal Tech Colab und dem Bu­ce­ri­us Cen­ter on the Legal Pro­fes­si­on.

*Anm. d. Red.: ur­sprüng­lich stand hier fälsch­li­cher­wei­se 1% (kor­ri­giert am 8.1. 9:00, dd)

Redaktion beck-aktuell, Denise Dahmen, 7. Januar 2025.

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