Die fortschreitende Digitalisierung hat mittlerweile nahezu alle Lebensbereiche erreicht – auch die Rechtsbranche ist davon nicht ausgenommen. In den vergangenen Jahren hat sich unter dem Begriff "Legal Tech" eine Bewegung formiert, die sich mit der Automatisierung von juristischen Tätigkeiten beschäftigt und den Einsatz moderner Technologien in der Rechtsberatung und Rechtsprechung vorantreibt.
Für viele Studierende ist es deshalb wichtig, schon während der Ausbildung mehr über die Schnittstelle zwischen Jura und Technologie zu lernen. Dabei spielen Legal Tech Labs eine zentrale Rolle. Studierende haben sie gegründet, um juristische Ausbildung und technologische Innovation zusammenzubringen und die nächste Generation von Juristinnen und Juristen auf eine digitale Zukunft vorzubereiten.
Netzwerke für die Zukunft der Rechtsbranche
Legal Tech Labs haben das Ziel, Jurastudierende frühzeitig an die Schnittstelle zwischen Recht und Technologie heranzuführen und so die Digitalisierung der Rechtsbranche voranzutreiben. "Konkret möchten wir dabei ein Netzwerk bieten, damit sich diejenigen, die sich für die Digitalisierung im Bereich des Rechts interessieren, austauschen können. Zudem ist unser Ziel, ein Think Tank und eine Plattform zu sein, die es den Juristinnen und Juristen ermöglicht, sich mit den aktuellen Themen rund um Legal Tech zu beschäftigen, was wir sowohl durch unsere internen Diskussions- und Arbeitsgruppen als auch durch unsere externen Events und unseren Content (Newsletter, Podcast) erreichen wollen“, erklärt Annika Koch, Jurastudentin in Münster und Vorstandsvorsitzende der bundesweiten Legal Tech Initiative recode.law. Die Initiative wurde von Studierenden gegründet und hat mittlerweile sechs Standorte in ganz Deutschland. Sie ist ein Beispiel für das Engagement, mit dem sich Studierende dem Thema Legal Tech nähern.
Neben recode.law haben Studierende auch in zahlreichen Städten Legal Tech Labs gegründet. Sie bieten in erster Linie Veranstaltungen für Studierende an, etwa Netzwerktreffen, Workshops und Vorträge – aber auch sogenannte Legal Hackathons. Bei solchen Hackathons erarbeiten Studierende gemeinsam mit Praktikerinnen und Praktikern aus den Bereichen Jura und Technologie in kürzester Zeit neue kreative Legal-Tech-Lösungen.
"Wer bei uns Mitglied ist, wird ständig mit aktuellen Themen konfrontiert, bekommt die Möglichkeit sich weiterzubilden und sich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Außerdem werden wichtige Kenntnisse im Umgang mit Legal Tech vermittelt, die einen Vorteil beim Einstieg ins Berufsleben darstellen können", betont Emma Kiem, Jurastudentin und Vorständin des Legal Tech Lab Frankfurt am Main.
Wer sich als Jurastudierender im Bereich Legal Tech engagieren möchte, kann dies inzwischen in den Legal Tech Labs in Mannheim, Frankfurt., Köln, Marburg und Gießen sowie bei recode.law mit Vertretungen in Berlin, Hamburg, Münster, Passau, Leipzig, München und dem Rheinland.
"Muss ich programmieren können?"
Durch die Mitwirkung in einem Legal Tech Lab können Jurastudierende technologische Schlüsselkompetenzen erwerben, die in der späteren Berufspraxis immer mehr an Bedeutung gewinnen. "Um sich als Studentin oder Student auf die neue Arbeitswelt vorzubereiten, ist es essenziell, sich mit der Funktionsweise der Technologie, den Chancen, aber vor allem auch den Risiken von Technologien zu beschäftigen", erzählt Koch.
Darüber hinaus eröffnet das Engagement in einem Legal Tech Lab den Zugang zu einem Netzwerk aus Gleichgesinnten, Expertinnen und Experten sowie potenziellen Arbeitgebern. Denn viele Legal Tech Labs kooperieren mit Kanzleien und Unternehmen, was den Teilnehmenden auch vielseitige Karrieremöglichkeiten eröffnen kann.
Viele Jurastudierende scheuen den Kontakt aber zunächst. Sie fürchten, sich ohne Programmierkenntnisse nicht hinreichend einbringen zu können. Doch diese Sorge ist unbegründet. Koch betont: "Generell braucht man bei uns kein Vorwissen. Uns ist allerdings wichtig, dass man Interesse an dem Thema Digitalisierung und Legal Tech hat und Lust hat, aktiv mitzuarbeiten. Für unsere Mitglieder bieten wir auch Einführungen in das Programmieren an, sodass man bei uns damit auch erste Berührungspunkte sammeln kann."
Kaum Unterstützung durch die Unis
Viele dieser Legal Tech Labs entstanden aus einem Bedürfnis heraus, schon im Studium mehr über Legal Tech zu lernen. Die universitären Angebote in diesem Bereich halten die Labs für unzureichend. Bisher habe sich technologische Entwicklung im Rechtsmarkt nur selten in den Lehrplänen der Unis niedergeschlagen. Deshalb haben die Studierenden beschlossen, die Sache selbst in die Hand zu nehmen.
Doch auch hier lässt die Unterstützung durch die Universitäten zu wünschen übrig. Die Legal Tech Labs sind selbst organisiert und von den Unis weitgehend abgekoppelt. "Wir beobachten generell, dass studentische Initiativen von Seiten der Universitäten wenig Unterstützung bekommen", so Kiem. Das Legal Tech Lab Frankfurt sei deswegen als eingetragener gemeinnütziger Verein organisiert und finanziere sich überwiegend durch Förderpartner und Spenden. Auch recode.law lebt überwiegend von den Mitgliedsbeiträgen des Vereins. Als deutschlandweit tätige Initiative sei eine Angliederung an eine Universität jedoch sowieso schwierig.
Allerdings seien zunehmend auch positive Entwicklungen an den Unis zu beobachten, findet Koch. "Fast jede Uni hat inzwischen einen Schwerpunktbereich, der sich der Digitalisierung, der Künstlichen Intelligenz oder auch Legal Tech widmet. Dies gilt es beizubehalten. Daneben ist es aber wichtig, Grundkenntnisse im Bereich Legal Tech jeder Studentin und jedem Studenten nahezubringen, da man zurzeit sein Examen machen kann, ohne überhaupt zu wissen, was die Digitalisierung für Konsequenzen für die Rechtsbranche hat." Dieses Wissen sei aber bereits heute essenziell, um von den Vorteilen der Technologie zu profitieren und gleichzeitig die Risiken im Blick zu haben.
Neben Masterstudiengängen im Bereich Legal Tech (z.B. in Passau, Regensburg, Würzburg und an der Universität des Saarlandes) gibt es beispielsweise an der Uni Osnabrück den Schwerpunktbereich "Digital Law". Die Uni Köln bietet den Schwerpunkt "Recht der Digitalisierung, Digitalisierung des Rechts" an. 2025 wird an der Uni Jena wieder die Online-Vorlesung "Legal Tech" angeboten, die auch Externen offensteht. Und auch an der Uni Passau gibt es eine entsprechende Ringvorlesung.
Heute an die Arbeitswelt von morgen denken
Die Bedeutung von Legal Tech in der Rechtsbranche wird in den kommenden Jahren weiter zunehmen. Wer sich bereits frühzeitig mit diesen Themen beschäftigt, hat einen Vorteil: "Wir können jetzt schon sehen, dass IT-Kompetenzen im Alltag zunehmend unverzichtbar werden", erläutert Kiem. Das gelte insbesondere auch für den Arbeitsalltag. Wer mit Technik umgehen könne, sie nicht erst neu erlernen muss und wisse, wann man welche Tools richtig einsetzt, spare Zeit und unnötigen Arbeitsaufwand. "Wir erwarten, dass sich die Kernkompetenz in vielen juristischen Berufsfeldern verändern wird. Nicht mehr das Prüfen eines juristischen Problems, sondern das Überprüfen eines KI-generierten Vorschlags, wird im Zentrum der Arbeit stehen."
Diese Einschätzung teilt auch Koch: "Ich bin überzeugt, dass man sich im Jahr 2030 eine Arbeitsweise ohne Legal-Tech-Anwendungen nicht mehr vorstellen kann." Koch hofft, dass bis dahin jeder Jurist und jede Juristin über ein solides Grundwissen im Bereich Legal Tech verfügt und insbesondere auch die Risiken neuer Technologien einschätzen kann.
Es lohnt sich also, sich schon als Student oder Studentin mit der Digitalisierung der Rechtsbranche zu befassen. Und auch wenn die Unis mit ihren Legal-Tech-Angeboten langsam nachziehen, bleiben die Labs ein wichtiger Baustein, um den juristischen Nachwuchs auf die digitale Zukunft vorzubereiten.
Die Autorin Dr. Jannina Schäffer ist Gründerin und Chefredakteurin des Online Magazins "JURios – kuriose Rechtsnachrichten". Die Volljuristin hat berufsbegleitend an der Deutschen Hochschule der Polizei promoviert und ist Lehrbeauftragte an der FernUni Hagen sowie Mitarbeiterin bei Alpmann Schmidt.