Legal Operations: Das machen die führenden Rechtsabteilungen in Deutschland besser
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Wie stellen sich Rechtsabteilungen für die Zukunft auf und warum gelingt das manchen besser als anderen? Eine branchenübergreifende Studie von BUJ und EY Law soll Antworten liefern, aus denen alle Legal Departments lernen können. Im Interview erklärt Markus Fuhrmann von EY Law, in welchen acht Bereichen sich die führenden Abteilungen hervortun.

beck-aktuell: Herr Fuhrmann, Sie haben im Vorfeld Ihrer Studie die These aufgestellt, dass eine gute Rechtsabteilung Arbeitsergebnisse von einer sehr hohen Qualität zu vernünftigen Kosten liefert. Wie macht man das messbar?

Fuhrmann: Das ist wie beim Marathon: Wenn Sie den in fünf Stunden laufen, wissen Sie nur anhand des Weltrekords, ob das gut oder schlecht ist.

Wir haben insofern vier Kriterien aufgestellt: Erstens muss die fachliche Qualität der Rechtsabteilung wichtig sein und sie muss auch daran gemessen werden. Zweitens muss es im Unternehmen eine hohe interne Zufriedenheit mit der Rechtsabteilung geben. Drittens muss diese Zufriedenheit auch gemessen werden und viertens muss die Rechtsabteilung ihre Kosten kennen und danach steuern.

Rechtsabteilungen teilen sich in Leader, Follower und Laggards

beck-aktuell: Und die führenden Rechtsabteilungen erfüllen alle vier Kriterien?

Fuhrmann: Richtig. Wobei uns überrascht hat, dass nur 16 von 109 teilnehmenden Rechtsabteilungen alle vier Kriterien erfüllt haben. Wir haben die Kriterien eher als Mindestvoraussetzungen für die Arbeit einer Rechtsabteilung angesehen.

Diese 16 Rechtsabteilungen haben wir in einer Gruppe zusammengefasst: der Leader-Gruppe. Die übrigen Abteilungen haben wir - je nachdem wie viele Kriterien sie erfüllt haben - entweder in die Gruppe der Follower oder die der Laggards, also Nachzügler, eingeteilt. Uns hat interessiert, was die Leader anders machen als die anderen Rechtsabteilungen.

beck-aktuell: Eine der Kernaussagen Ihrer Studie ist: Auf die Größe kommt es nicht an. Worauf denn dann?

Fuhrmann: Damit hatten wir auch nicht gerechnet. Wir sind davon ausgegangen, dass die großen Unternehmen mit den großen Rechtsabteilungen auch fachlich besser aufgestellt sind. Aber dem ist nicht so. Wir konnten acht Bereiche feststellen, in denen sich Leader - unabhängig von ihrer Größe - hervortun: Zum einen steuern sie ihre Rechtsabteilung anders, nämlich anhand der Zielvorgaben des Unternehmens. Zudem sind Leader eher wie interne Berater in ihr Unternehmen eingebunden und werden nicht nur mit Problemen konfrontiert. Leader steuern auch Risiken aktiver, sie nutzen Legal Service Center häufiger und investieren erheblich mehr Geld in Legal Technology. Außerdem haben Leader klare Preisgestaltungserwartungen an externe Unternehmen und sie sind innovativer.

Nur 6% der deutschen Rechtsabteilungen nutzen ALSPs

beck-aktuell: Stichwort Innovationsbereitschaft: Laut Ihrer Studie nutzen weltweit 80% der Rechtsabteilungen die Dienste innovativer alternativer Legal-Service-Provider (ALSPs), in Deutschland gerade einmal 6%. Warum hinkt Deutschland hier so hinterher?

Fuhrmann: Innovation kann erstmal alles sein, etwa die Verbesserung und Anpassung von Prozessen, die Einführung eines KPI-Systems, also von Key Performance Indicators, oder schlichtweg eine Verbesserung der Zusammenarbeit mit dem Unternehmen. Während ¾ der Leader Innovationen benennen konnten, war es bei den anderen Gruppen nur die Hälfe. Dass aber so wenige Rechtsabteilungen die Dienste alternativer Rechtsdienstleister nutzen, hat uns auch überrascht. Offenbar ist es unter deutschen Rechtsabteilungen noch nicht so verbreitet, breit aufgestellte Anbieter einzubinden, die ihre Legal Operations optimieren. Hierzulande geht es traditioneller zu: Eine Rechtsabteilung beauftragt eine Rechtsanwaltskanzlei. Das soll sich aber ändern. 16% der Teilnehmer gaben an, künftig ALSPs einsetzen zu wollen.

beck-aktuell: Sie sagen, Leader investieren erheblich mehr in Legal Technology. Laut Ihrer Studie haben Leader generell einen deutlichen größeren Legal Spend, geben also auch viel mehr Geld aus etwa für interne Mitarbeitende und externe rechtliche Dienstleistungen. Das muss sich ein Unternehmen erstmal leisten können. Spielt Geld am Ende also doch eine ausschlaggebende Rolle?

Fuhrmann: Stimmt, die Leader geben mehr Geld aus – das ist aber immer im Verhältnis zur Unternehmensgröße zu sehen. Und es bestätigt die These, dass eine gute Rechtsabteilung nicht möglichst geringe Kosten haben muss. Dafür ist die Rechtsabteilung – die einen viel höheren Wertbeitrag für das Unternehmen leistet, als die Kosten reflektieren – viel zu wichtig.

Beim Thema Legal Technology können die Nachzügler noch aufholen

beck-aktuell: Was sind Ihrer Ansicht nach die zentralen Themen, die auf Rechtsabteilungen in den nächsten Jahren zukommen?

Fuhrmann: Legal Technology bleibt meines Erachtens weiterhin ein sehr wichtiges Thema. Die Entwicklung auf dem Gebiet bleibt angesichts des Hypes vor zwei Jahren spannend. Zum einen kam bei der Studie heraus, dass die Nutzer von Legal Technology mit den jeweiligen Programmen und Softwares nur mittelmäßig zufrieden sind. Viele machen auch organisatorische Probleme geltend.

Zum anderen gab ein Drittel der Teilnehmer an, noch gar keine Legal Technology zu nutzen. Da diese den Leadern aber offenbar bis jetzt noch nicht so viel gebracht hat, kann die Vergleichsgruppe hier noch leicht aufholen, da ist noch nichts verloren. Aber auch die Themen Risikomanagement und Legal Service Center oder personeller Nachwuchs sowie Mitarbeiterprogramme werden immer wichtiger. Eine gute Rechtsabteilung sollte nicht nur aus Juristen bestehen. Auch KI wird sicherlich in Rechtsabteilungen eine größere Rolle spielen.

beck-aktuell: Sie haben bereits vor 2 Jahren eine Studie zu Legal Operations durchgeführt. Ihr damaliges Fazit: "Rechtsabteilungen werden künftig anders denken und arbeiten." Hat sich diese Prognose bewahrheitet?

Fuhrmann: Ja, wir sehen ganz klar eine Veränderung. Das Thema Legal Operations wird immer präsenter und wichtiger. Die Rechtsabteilungen werden zukunftsfähiger und innovativer. Legal Operations wird inzwischen sogar an manchen Hochschulen als Studienfach angeboten. Aber es ist eine Evolution, keine Revolution.

Markus Fuhrmann ist Head of Legal Managed Services und Legal Function Consulting bei EY Law. Er hat die Studie gemeinsam mit Dr. Peter Schichl, unter anderem Head of Legal Services Technology & Procurement beim Bundesverband der Unternehmensjuristen e.V. durchgeführt.

Redaktion beck-aktuell, Miriam Montag, 2. Oktober 2023.

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