Krankenkasse muss Kosten gutgläubig selbst beschaffter Leistung übernehmen
Die vorläufige Rechtsposition erlaube es dem Versicherten, sich die Leistung selbst zu beschaffen. Das bewirke die vom Gesetzgeber beabsichtigte Verfahrensbeschleunigung und sanktioniere verspätete Entscheidungen der Krankenkasse. Diese müsse die Kosten der selbst beschafften Leistung nämlich auch dann erstatten, wenn nach allgemeinen Grundsätzen der gesetzlichen Krankenversicherung kein Rechtsanspruch auf die Leistung besteht. Dies gilt laut BSG allerdings nur dann, wenn der Versicherte im Zeitpunkt der Selbstbeschaffung "gutgläubig" war. Dies sei er dann gewesen, wenn er weder Kenntnis noch grob fahrlässige Unkenntnis vom Nichtbestehen des Anspruchs hatte.
Krankenkasse kann weiter entscheiden und beendet damit Selbstbeschaffungsrecht
Die eingetretene Genehmigungsfiktion sei kein Verwaltungsakt und schließe das Verwaltungsverfahren nicht ab, so das BSG weiter. Die Krankenkasse sei deshalb weiterhin berechtigt und verpflichtet, über den Leistungsantrag zu entscheiden. Die durch die Genehmigungsfiktion eröffnete Möglichkeit der Selbstbeschaffung ende, wenn über den materiell-rechtlichen Leistungsanspruch bindend entschieden worden ist oder sich der Antrag anderweitig erledigt hat. Die bestandskräftige Entscheidung über den Leistungsantrag vermittele dem Versicherten positive Kenntnis darüber, ob er die beantragte Leistung beanspruchen kann. Während eines laufenden Widerspruchs- oder Gerichtsverfahrens bleibe das Recht, sich die Leistung selbst zu beschaffen, erhalten, solange der Versicherte gutgläubig ist.
Medikament für "Off-Label-Einsatz" auf Kassenrezept begehrt
Im zugrunde liegenden Fall hatte der bei der beklagten Krankenkasse versicherte Kläger zur Behandlung seiner Gangstörung die Versorgung mit dem Arzneimittel Fampyra beantragt. Dieses Medikament ist nur zur Behandlung einer Gangstörung bei Multipler Sklerose zugelassen, der Kläger leidet jedoch an einer anderen Krankheit. Die Beklagte lehnte den Antrag erst nach Ablauf der maßgeblichen Frist ab. Der Kläger hatte sich das Medikament nicht selbst beschafft, sondern verlangt die zukünftige Versorgung im Weg der Sachleistung auf "Kassenrezept".
Vorinstanz muss entsprechend geänderter BSG-Rechtsprechung erneut entscheiden
Die Vorinstanzen haben – gestützt auf die bisherige Rechtsprechung des 1. BSG-Senats zur Genehmigungsfiktion – die Beklagte verurteilt, den Kläger entsprechend ärztlicher Verordnung mit einem Arzneimittel zu versorgen. Das BSG hat das Urteil des Landessozialgerichts aufgehoben, weil sich allein aus der Genehmigungsfiktion kein Sachleistungsanspruch ergebe, und die Sache an das LSG zurückverwiesen. Es bleibe nur ein möglicher Anspruch nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen zum Off-Label-Use. Dazu habe das LSG – nach seiner Rechtsauffassung folgerichtig – bisher keine Feststellungen getroffen.