Sie beraten ehrenamtlich Menschen, die nicht weiterwissen, denen das Geld für eine anwaltliche Beratung fehlt oder die sich nicht trauen, staatliche Stellen zu kontaktieren. Law Clinics sind in Deutschland ein relativ junges Phänomen. Inzwischen gibt es bundesweit rund 70 studentische Rechtsberatungen. Allein 30 davon sind Refugee Law Clinics, also solche, die sich auf das Asylrecht spezialisiert haben und sich an Geflüchtete richten. Rund 40 Law Clinics haben sich seit 2019 unter einem gemeinsamen Dachverband organisiert – dem Dachverband Studentischer Rechtsberatungen e.V. (DSR). Doch wieso sollte man sich im Jurastudium in einer Law Clinic engagieren?
Was ist eine Law Clinic?
Das Konzept der Law Clinics ist schnell erklärt. Es handelt sich dabei um Rechtsberatungsstellen für finanziell benachteiligte Bevölkerungsgruppen, die von Jurastudierenden betrieben werden. Einige der Law Clinics sind als unabhängige Vereine organisiert, andere sind an eine Universität angebunden. Die Idee der Law Clinics stammt aus dem anglo-amerikanischen Raum, wo die Rechtsberatung oft nochmals teurer ist als in Deutschland und es gleichzeitig weniger Unterstützungsangebote (wie z.B. Prozesskostenhilfe) gibt. Wer eine kostenpflichtige Rechtsberatung aufgrund von Mittellosigkeit nicht in Anspruch nehmen kann, wird in den Law Clinics von Jurastudierenden pro bono beraten.
Auf welcher gesetzlichen Grundlage arbeiten Law Clinics?
Während es in den USA bereits seit den 60er Jahren Law Clinics gibt, ist die studentische Rechtsberatung in Deutschland erst seit dem Inkrafttreten des Rechtsdienstleistungsgesetzes am 1. Juli 2008 möglich. § 6 RDG enthält die Rechtsgrundlage für die ehrenamtliche Rechtsberatung durch Nichtjuristinnen und Nichtjuristen. Jurastudierende dürfen demnach auch ohne Staatsexamina außergerichtliche und unentgeltliche Rechtsberatung erbringen, sofern sie dabei von einer Person mit Befähigung zum Richteramt betreut werden. Zwingend ist jedoch, dass diese Rechtsberatung ausschließlich außergerichtlich und kostenlos erfolgt – die Mittellosigkeit der Mandantschaft ist hingegen keine gesetzliche Voraussetzung, wird von den meisten Law Clinics aber dennoch vorausgesetzt.
Welche Law Clinics gibt es?
Die Welt der Law Clinics ist bunt und vielfältig. Unter den rund 70 studentischen Rechtsberatungen ist fast jedes Rechtsgebiet vertreten. Die auf Asyl- und Ausländerrecht spezialisierten Refugee Law Clinics stellen dabei die größte Gruppe. Dicht gefolgt von den studentischen Rechtsberatungen, die im allgemeinen Zivilrecht unterwegs sind. Am seltensten sind Law Clinics im Bereich des Strafrechts.
Die meisten studentischen Rechtsberatungen konzentrieren sich auf ein Rechtsgebiet. So gibt es in Bayreuth beispielsweise den StartUpRight e.V., der sich auf die Beratung von Start-ups spezialisiert hat. In Hamburg und Berlin beraten Jurastudierende in der Climate Clinic zu klimarechtlichen Themen. In Köln gibt es inzwischen fünf Law Clinics, zu denen unter anderem die Women Entrepreneurs Law Clinic sowie eine Beratungsstelle speziell für Seniorinnen und Senioren gehört. Die NPO Law Clinic in Hamburg berät hingegen Non-Profit-Organisationen.
Welche Kernaufgaben hat eine Law Clinic?
Primär sind die Studierenden in einer Law Clinic rechtsberatend tätig. Sie suchen Lösungen für die juristischen Probleme der Mandantschaft. Damit ähnelt die Arbeit in einer Law Clinic dem Lösen eines Klausursachverhalts bzw. einer Hausarbeit – nur mit viel mehr Praxisbezug. Die Studierenden dürfen allerdings niemanden vor Gericht vertreten, sondern beraten immer nur außergerichtlich.
Neben der Rechtsberatung geht es aber oft auch darum, bei Behördengängen zu unterstützen und soziale Konflikte beizulegen. Nicht selten kommt die außergerichtliche Beratung zu dem Ergebnis, dass überhaupt kein Gerichtsverfahren notwendig ist. Im Bereich der Refugee Law Clinics ist der Mandantschaft in vielen Fällen bereits dadurch geholfen, dass die Jurastudierenden Behördenpost übersetzen oder den Behördengang begleiten. In anderen Rechtsgebieten hilft oft schon das Aufsetzen eines Briefes – beispielsweise, wenn es um die Geltendmachung von Verbraucherrechten gegenüber Unternehmen geht.
Wie wird die Qualität der Rechtsberatung gewährleistet und wer haftet für Fehler?
Das RDG sieht explizit vor, dass anlassbezogen eine Betreuung und Anleitung durch eine Person mit Befähigung zum Richteramt erfolgen muss. Unterstützt werden die Jurastudierenden deswegen entweder von Professorinnen und Professoren oder von Mitgliedern der Anwaltschaft. Die Betreuung ist dabei unterschiedlich stark ausgeprägt. So gibt es meistens Einführungsveranstaltungen und themenspezifische Workshops, an denen die studentischen Beraterinnen und Berater teilnehmen müssen. Oft fungieren Volljuristinnen und Volljuristen als sogenannte "Supervisoren" und besprechen die Fälle mit den Beratenden. In einigen Law Clinics wird auch im Duo aus Berufsträger und Studierendem gearbeitet.
Trotzdem kann es passieren, dass den Ehrenamtlichen ein Beratungsfehler unterläuft. Müssen Studierende Angst haben, mit ihrem Privatvermögen hierfür zu haften? Jein. Grundsätzlich ist ein vollständiger Haftungsausschluss für jegliche Fehler nicht möglich. Ein gewisses Haftungsrisiko verbleibt somit. Doch das ist minimal. Wird die Law Clinic in der Rechtsform des e. V. betrieben, so haftet zunächst einmal nur dieser gegenüber der Mandantschaft. Nur im Fall von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit kann der Verein bei dem beratenden Mitglied Regress nehmen. Viele studentische Rechtsberatungen sichern sich darüber hinaus mit Hilfe einer Vermögensschadenhaftpflichtversicherung ab.
Ab welchem Semester kann man mitmachen?
"Mitmachen kann grundsätzlich jeder", erklärt die Jurastudentin Ida Hutopp, Vorständin des DSR und der Law Clinic Rostock e.V. Da es viele verschiedene Aufgaben innerhalb einer Law Clinic gebe, sei ein Mitwirken durchaus "ab dem ersten Tag des Jurastudiums" denkbar. "Aufgaben, wie das Erstellen von Beiträgen für die Social Media Accounts oder das Planen von Events, erfordern keine spezifischen Vorkenntnisse und können so problemlos bereits ab dem ersten Semester übernommen werden."
Etwas anderes gelte jedoch für die Beratungsgespräche. Die meisten Law Clinics beschränkten dieses Engagement auf höhere Semester, um sicherzustellen, dass die Beratenden bereits über ein fundiertes Grundlagenwissen verfügen. Außerdem sei es üblich, dass die Beraterinnen und Berater zunächst bestimmte Workshops absolvierten, um sich auf die beratende Tätigkeit vorzubereiten.
"Es gibt verschiedene Voraussetzungen, um als Beraterin oder Berater aktiv werden zu können. Diese unterscheiden sich etwas von Law Clinic zu Law Clinic. Regulär ist es aber bei allen so, dass mindestens eines der selbst organisierten Ausbildungsprogramme zum entsprechenden Rechtsgebiet besucht werden muss. Im Anschluss sollte die Person eine Zeit lang in der Beratung hospitieren", erzählt Hutopp.
Wie läuft die Bewerbung ab?
Die Bewerbungsverfahren unterscheiden sich von Law Clinic zu Law Clinic. Grundsätzlich können sich Studierende darauf einstellen, dass der Bewerbungsprozess ähnlich abläuft wie das Bewerbungsverfahren für ein Praktikum oder einen Nebenjob. So verlangen die meisten Law Clinics von den Bewerberinnen und Bewerbern die Vorlage einer Notenübersicht, eines Lebenslaufs und gegebenenfalls ein Motivationsschreiben.
Die Motivation wird häufig auch in einem Bewerbungsgespräch mit den Vorständen der Law Clinic bzw. den betreuenden Professorinnen und Professoren abgefragt. Besondere Vorkenntnisse werden meistens nicht verlangt. Für die Tätigkeit in einer Refugee Law Clinic sind gute Englischkenntnisse aber von Vorteil – weitere Fremdsprachen (wie z.B. Ukrainisch oder Arabisch) natürlich besonders gerne gesehen.
Wie viel Zeit muss man mitbringen?
Law Clinics sind so organisiert, dass das Engagement nicht im Widerspruch zu den Anforderungen des Jurastudiums steht. Sinn ergibt es aber, nur dann mitzumachen, wenn man auch wirklich bereit ist, an allen Treffen teilzunehmen und sich regelmäßig in der Beratung einzubringen. Auch hier variieren die Anforderungen von Uni zu Uni. Insbesondere hängen die Verpflichtungen damit zusammen, wie viele Mandate die Law Clinic annimmt und wie komplex die Fälle sind, für die man eingeteilt wird. In der Goethe Law Clinic in Frankfurt übernehmen alle Studierenden pro Semester beispielsweise zwei offene Sprechstunden und bearbeiten fünf bis sechs Fälle. In anderen studentischen Rechtsberatungen gilt das Prinzip "jeder macht so viel, wie er oder sie möchte".
In vielen Law Clinics gibt es allerdings verpflichtende Schulungen oder Workshops. Das Schulungsprogramm der Refugee Law Clinic Dresden umfasst beispielsweise zwei Semester. Im ersten Semester besuchen die Teilnehmenden eine Vorlesung zum Asyl- und Aufenthaltsrecht. In der vorlesungsfreien Zeit muss dann ein vierwöchiges Praktikum an einem Gericht oder in einer Kanzlei absolviert werden.
Kann man sich das Engagement als Studienleistung anerkennen lassen?
Das Engagement in einer Law Clinic kann oft als Studienleistung anerkannt werden. Die Details hängen jedoch von der jeweiligen Universität ab. An der Universität Rostock etwa erkennt das Prüfungsamt das Engagement als eine Praktikumsleistung innerhalb des Bachelor-Studiengangs an. An anderen Standorten, wie zum Beispiel an der Universität Passau, besteht sogar die Möglichkeit, einen Freiversuch für das erste Staatsexamen zu erhalten. An der Freien Universität Berlin können im Rahmen der Law Clinic "Praxis der Strafverteidigung" gleich drei Scheine erworben werden (Schlüsselqualifikation, Praktikum und Seminar).
Welche Skills erwirbt man in der Law Clinic?
Das Engagement bei einer studentischen Rechtsberatung stellt immer eine Bereicherung dar. Die vertiefte Arbeit in einem bestimmten Rechtsgebiet und anhand konkreter Fälle schult die Falllösungstaktik der Studierenden, erweitert ihr Wissen und bringt dadurch direkte Vorteile für das Jurastudium. Darüber hinaus erlernen die Studierenden auch wertvolle Softskills wie Organisation, Gesprächsführung, Streitschlichtung, Einfühlungsvermögen und Rhetorik.
"Eine Law Clinic ist die ideale Möglichkeit, um sich während des Studiums bereits beruflich weiterzuentwickeln", betont Hutopp. "In den Beratungsgesprächen gibt es den ersten realen Kontakt zur Mandantschaft. Die Theorie wird zur Praxis. Dies ist auch ein Vorteil im Studium selbst. Das Wissen wird durch die praktische Anwendung - der Fallbearbeitung - gefestigt. Durch die Organisation, Koordination und Durchführung eines Ausbildungsprogramms werden ebenfalls wichtige Fähigkeiten trainiert, die im gewöhnlichen Alltag eines Studierenden keine Anwendung finden würden."
Die Autorin Dr. Jannina Schäffer ist Gründerin und Chefredakteurin des Online Magazins "JURios – kuriose Rechtsnachrichten". Die Volljuristin hat berufsbegleitend an der Deutschen Hochschule der Polizei promoviert und ist Lehrbeauftragte an der FernUni Hagen sowie Mitarbeiterin bei Alpmann Schmidt.