Lauterbach: Expertenrat-Gutachten wird Basis für Corona-Bekämpfung

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will die vom Corona-Expertenrat der Bundesregierung vorgelegte neue Stellungnahme zur Grundlage für die Pandemie-Bekämpfung im Herbst machen. Das Gutachten werde “maßgeblich für unsere Pandemiebekämpfung im Herbst“, sagte Lauterbach bei einem Ärzte-Netzwerktreffen. Die FDP will dagegen erst die wissenschaftliche Bewertung der bisherigen Beschränkungen durch das “Evaluierungsgremium“ abwarten.

Gesundheitsminister rechnet mit neuer Corona-Welle

Lauterbach zeigte sich beunruhigt wegen der Zunahme der Infektionsfälle der BA.5-Omikron-Variante. “Wir wissen noch nicht, ob es eine Corona-Welle im Sommer geben wird“, sagte er. Schwieriger werde es aber im Herbst. “Da brauchen wir einen Instrumentenkasten.“ Auch mit Zweitinfektionen von bereits einmal an Corona erkrankten Menschen müsse gerechnet werden. Lauterbach rechnet damit, dass es bessere Impfstoffe im Herbst geben wird, mit denen man auch besser auf die Omikron-Varianten vorbereitet sei. “Wenn diese Impfstoffe da sind, werden wir einen Impfprozess vorlegen und die Bevölkerung zur Impfung aufrufen“, sagte Lauterbach. Einen neuen Anlauf für eine allgemeine Impfpflicht im Bundestag werde es nicht geben, betonte Lauterbach. Das Land wäre nach seiner Ansicht aber besser durch die Pandemie gekommen, wenn der Bundestag eine Impfpflicht beschlossen hätte. “Da sind wir als Bundestag falsch abgebogen“, sagte er zum Scheitern der Impfpflicht im Frühjahr.

Corona-Expertenrat empfiehlt rasches und koordiniertes Handeln

Lauterbach zeigte sich sicher, dass erneute Schul- und Kitaschließungen im Herbst vermieden werden können. “Ich glaube nicht, dass das noch einmal angemessen sein könnte.“ Bei der Überarbeitung des Infektionsschutzgesetzes, das am 23.09.2022 ausläuft, will Lauterbach der FDP entgegenkommen und Änderungen möglichst spät beschließen. Was er aber unabhängig von dem Gesetz machen könne, werde er früher umsetzen. Der Corona-Expertenrat der Bundesregierung empfiehlt in seiner Stellungnahme eine Rechtsbasis für schnelle Reaktionen auf mögliche steigende Infektionszahlen in Herbst und Winter. Er erwartet eine erneut erhebliche Belastung des Gesundheitssystems und der für Bevölkerung und Staat kritischen Infrastruktur. Hierfür fordert er eine zentrale Koordination der Pandemiemaßnahmen zwischen Bund und Ländern und eine bundesweit möglichst einheitliche und schnelle Kommunikation aller bestehenden Regelungen und Empfehlungen.

Forderung nach schnell reaktivierbarer Testinfrastruktur

Nach dem Willen des Rates sollte es für den Herbst eine schnell reaktivierbare Testinfrastruktur mit regelmäßigem Screening in Krankenhäusern und Pflegeheimen geben. Bei stabiler Infektionslage sollten die Tests auf symptomatische Fälle, begründete Verdachtsfälle sowie auf den Schutz von Risikogruppen begrenzt werden. Der Rat ist für langfristige Verbesserungen bei Datenanalyse und Prognose, bei Verhaltensmanagement und Kommunikation sowie bei der Prävention. Intensivmediziner Christian Karagiannidis sagte, man wolle weg kommen von der Betrachtung der 7-Tages-Inzidenz und hin zu einem digitalen Echtzeitbild unter Einbeziehung der tatsächlichen Krankheitsschwere.

FDP will Bewertung des Evaluierungsgremiums abwarten

Die FDP pocht darauf, erst eine geplante wissenschaftliche Bewertung bisheriger Beschränkungen durch das “Evaluierungsgremium“ abzuwarten. Die jeweils zur Hälfte von der Bundesregierung und vom Bundestag benannten Mitglieder sollen ihr Ergebnis bis 30.06.2022 vorlegen. Für Aufsehen hatte im April gesorgt, dass sich der Berliner Virologe Christian Drosten aus dem Gremium zurückzog. Drosten zufolge reichten Ausstattung und Zusammensetzung des Gremiums nicht für eine hochwertige Evaluierung aus. Der Vorsitzende des Corona-Expertenrats, Kroemer, wollte dem Bericht des Evaluierungsgremiums nicht vorgreifen: Zwar sei der Rat der Überzeugung, “dass der Staat entsprechende Werkzeuge aus unserer Sicht braucht“ - aber welche, “darüber setzen sich andere auseinander“, so Kroemer.

Redaktion beck-aktuell, mit Material von Basil Wegener, 9. Juni 2022 (dpa).