Lauterbach: "Ex-Post-Triage" ethisch nicht vertretbar

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat strenge Kriterien für eine Triage in Aussicht gestellt, also für eine Priorisierung von Patienten bei zu knappen Kapazitäten. Mit Blick auf einen möglichen Behandlungsabbruch von Patienten mit geringeren Überlebenschancen sagte der SPD-Politiker gestern, eine solche "Ex-Post-Triage" sei ethisch nicht vertretbar und weder Ärzten, Patienten noch Angehörigen zuzumuten. Selbst die Triage im Vorfeld einer Behandlung solle nur unter hohen Auflagen möglich sein.

Bundestag in die Pflicht genommen

In der Corona-Pandemie war das Thema wegen teils ausgelasteter Intensivstationen in den Fokus gerückt und löste Diskussionen über die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung aus. Der Begriff Triage bedeutet, dass Ärzte bei zu wenig Beatmungsgeräten oder Betten eine Reihenfolge festlegen, wer zuerst behandelt wird. Hintergrund der vorgesehenen Neuregelung ist eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von Ende vergangenen Jahres. Demnach muss der Bundestag "unverzüglich" Vorkehrungen zum Schutz von Menschen mit Behinderungen im Fall einer Triage treffen. Bisher gibt es dazu keinen Gesetzesrahmen, sondern wissenschaftlich erarbeitete Empfehlungen für Ärztinnen und Ärzte.

Lauterbach: Triage-Entscheidungen konnten bislang vermieden werden

Lauterbach sagte, dass nach dem Urteil der "Graubereich von medizinischen Entscheidungen" ausgeleuchtet werden müsse. Dazu werde das Ministerium in Kürze einen Gesetzentwurf als Formulierungshilfe für die Koalitionsfraktionen vorlegen. "Triage-Entscheidungen waren in dieser Pandemie in Deutschland zwar eine reelle Gefahr, aber nie Alltag", sagte Lauterbach. "Durch Corona-Maßnahmen und Patientenverlegungen ist es uns gelungen, alle Kranken gut zu versorgen. Das soll auch in Zukunft so bleiben."

Rechte von Menschen mit Behinderung werden gestärkt

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz begrüßte die Absage an eine "Ex-Post-Triage". Dies sei eine klare Stärkung der Rechte von Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen, sagte Vorstand Eugen Brysch der Deutschen Presse-Agentur. Generell gelte es, das Gesundheitswesen so zu organisieren, dass sich solche Fragen der Priorisierung gar nicht stellten. Unterschieden wird prinzipiell zwischen Triage im Voraus ("ex-ante") und nachträglich ("ex post"), wie das Ministerium erläuterte. Zum einen wird also vorab entschieden, wer behandelt wird. Ex-Post-Triage bedeutet demnach, dass die Behandlung eines Patienten mit geringer Überlebenswahrscheinlichkeit abgebrochen wird, um einen Patienten mit besserer Prognose versorgen zu können.

Gitta Kharraz, Redaktion beck-aktuell, 10. Mai 2022 (dpa).