Dokumentation bislang auf Förmlichkeiten der Verhandlung beschränkt
Bislang wird in Deutschland – anders als in vielen anderen Staaten – in der strafgerichtlichen Hauptverhandlung vor den Landgerichten und Oberlandesgerichten lediglich ein sogenanntes Formalprotokoll erstellt, welches nur die Förmlichkeiten der Verhandlung, aber nicht deren Inhalte dokumentiert. Für die Urteilsbegründung ist der Richter oder die Richterin heute auf die eigene Mitschrift dazu angewiesen, was beispielsweise ein Zeuge genau gesagt hat. Ob diese Regelungen noch zeitgemäß sind, wird in Politik, Presse und Fachkreisen seit einiger Zeit kontrovers diskutiert.
Inhaltsdokumentation könnte kognitiv bedingte Fehler vermeiden
Laut Bundesjustizministerium ist eines der zentralen Ergebnisse des Abschlussberichts der von Lambrecht Anfang 2020 eingesetzten Expertinnen- und Expertengruppe, dass die technische Dokumentation der Hauptverhandlung die Chance bietet, die Grundlage für die Nachvollziehbarkeit der Hauptverhandlung und für die richterliche Überzeugungsbildung zu verbessern. Sie trage dazu bei, kognitiv bedingte Fehler zu vermeiden und diene so der Wahrheitsfindung.
Risiken für Persönlichkeitsrechte der Verfahrensbeteiligten
Die Inhaltsdokumentation berge aber auch Risiken – insbesondere mit Blick auf die Persönlichkeitsrechte der Verfahrensbeteiligten, die hinreichende Beachtung finden müssten. Diesen Risiken könnte dem Abschlussbericht zufolge durch eine entsprechende Ausgestaltung der gesetzlichen Regelungen und der praktischen Handhabung begegnet werden.
Anspruchsvolle Herausforderung mit finanziellen Auswirkungen
Erhebliche Auswirkungen auf das Revisionsverfahren seien durch eine technische Dokumentation der Hauptverhandlung nicht zu erwarten, so die Experten. Die Aufgabenverteilung zwischen Tat- und Revisionsgericht bleibe im Grundsatz erhalten. Allerdings stelle die Einführung einer technischen Dokumentation der Hauptverhandlung bei den Land- und Oberlandesgerichten für die Justiz in technisch-organisatorischer Hinsicht eine anspruchsvolle Herausforderung dar, die auch erhebliche finanzielle Auswirkungen haben würde.
Vertreter aus Justizpraxis und Anwälte an Expertengruppe beteiligt
Der Expertinnen- und Expertengruppe gehören Vertreterinnen und Vertretern aus der Justizpraxis der Länder, des Bundesgerichtshofs, des Generalbundesanwalts sowie der Richter- und Anwaltsverbände (Deutscher Richterbund e.V., Bundesrechtsanwaltskammer, Deutscher Anwaltverein e.V. und Neue Richtervereinigung e.V.).an.