LAG Schleswig-Holstein: Klinik kann Oberärztin nicht zu Erzwingung von Gesprächen über Aufhebung des Anstellungsverhältnisses freistellen

Die Freistellung einer ordentlich unkündbaren geschäftsführenden Oberärztin nach einem Chefarztwechsel zur Erzwingung und Durchführung von Verhandlungen über die Aufhebung ihres Vertragsverhältnisses ist nicht schutzwürdig. Das stellt das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein klar. Mit dem in einem Eilverfahren ergangenen, mittlerweile rechtskräftigen Urteil vom 06.02.2020 (Az.: 3 SaGa 7 öD/19, BeckRS 2020, 3612) hat es die Entscheidung der Vorinstanz bestätigt.

Spannungen zwischen Antragstellerin und neuem Chefarzt

Die klagende Fachärztin ist bei der mehrere Kliniken betreibenden Beklagten beschäftigt, zuletzt als geschäftsführende Oberärztin. Sie ist tariflich unkündbar. Ihre Arbeitsverpflichtung umfasst neben der Mitwirkung an der Krankenversorgung auch Lehrverpflichtungen und wissenschaftliche Dienstleistungen. 2018 übernahm ein neuer Chefarzt die Klinik, in der die Klägerin tätig war. Seit dessen Arbeitsantritt kam es unter anderem zu Spannungen zwischen den beiden.

Antragstellerin gegen ihren Willen freigestellt

Als die Ärztin Ende November 2019 nach längerer Arbeitsunfähigkeit wieder zur Arbeit erschien, wurde sie unter Fortzahlung der Vergütung "insbesondere auch für Verhandlungen über die Aufhebung bzw. Abwicklung ihres Anstellungsverhältnisses" freigestellt. Weiterhin musste sie ihre Mitarbeiterausweise, Zugangsberechtigungen, Laptop, Datenträger, Visitenkarten und Schlüssel abgeben. Ihr Account im System der Arbeitgeberin wurde gelöscht. Die Ärztin verlangte per Einstweiliger Verfügung ihre Beschäftigung als geschäftsführende Oberärztin. Nachdem sie vor dem Arbeitsgericht mit ihrem Eilantrag erfolgreich gewesen war, wurde sie vorübergehend in einer anderen Klinik eingesetzt, dort aber nicht als geschäftsführende Oberärztin.

Kein schutzwürdiges Interesse für Freistellung ersichtlich

Die Berufung der Arbeitgeberin blieb vor dem LAG Schleswig-Holstein erfolglos. Die Klägerin habe einen Anspruch auf Beschäftigung als geschäftsführende Oberärztin, den sie durch einstweilige Verfügung durchsetzen könne. Sie verliere ihre Position nicht dadurch, dass diese an einen vom Chefarzt mitgebrachten Oberarzt vergeben werde. Ein durch den neuen Chefarzt hervorgerufener Teamüberhang oder ein nicht – mehr – passendes Team sei kein schutzwürdiges Interesse für eine Freistellung.

Persönliche Animositäten lassen Beschäftigungsanspruch nicht entfallen

Nach der Überzeugung des Gerichts lassen persönliche Animositäten den Beschäftigungsanspruch nicht entfallen. Die Beklagte habe die Klägerin durch die erzwungene Freistellung von einem Tag auf den anderen beruflich ausgeschaltet, ohne dass sich die Klägerin etwas zu Schulden habe kommen lassen. Die Klinik habe die einseitige Freistellung zur Durchsetzung nicht schutzwürdiger Eigeninteressen missbraucht: Kein ordentlich unkündbarer Arbeitnehmer müsse gegen seinen Willen Verhandlungen über die Aufhebung und Abwicklung des eigenen Anstellungsvertrages führen.

Gericht bejaht Dringlichkeit

Der Anspruch der Klägerin war nach Ansicht des Gerichts auch dringend. Die Klinik habe sie mit der Freistellung und der damit einhergehenden Trennung von den Systemen und EDV-Zugängen, aber auch mit den Veränderungen auf der Homepage für Dritte "unsichtbar" gemacht. Sie sei sowohl für die Krankenversorgung als auch für die Wissenschaft und die Forschung auf Veranlassung der Beklagten nicht mehr existent gewesen. Dem müsse mit einer Eilentscheidung Einhalt geboten werden.

Redaktion beck-aktuell, 8. April 2020.