Auch krankgeschrieben kann man Bahn fahren

Ein erkrankter Chefarzt darf zehn Stunden mit der Bahn zu seiner Familie fahren, ohne dass die Krankschreibung zwangsläufig falsch sein muss. Das LAG Mecklenburg-Vorpommern geht jedenfalls davon aus, dass ein Tag im Krankenhaus anstrengender gewesen wäre und sprach dem Arzt zunächst einbehaltenen Lohn zu.

Sein ehemaliger Arbeitgeber, eine Reha-Klinik in Stralsund, hatte seine Krankschreibung bis zum Antritt seines Resturlaubs vor einem Jobwechsel unter anderem wegen seiner Heimreise angezweifelt und seinen Lohn einbehalten.

Das LAG teilte diese Bedenken nicht: Auch bei einer zehnstündige Bahnfahrt in der ersten Klasse sei die Belastung für den Facharzt für Orthopädie nicht annähernd so hoch gewesen wie in der Klinik. Die Fahrt erfordere weder Konzentration noch körperliche Anstrengungen, er könne eine bequeme Sitzhaltung einnehmen, aber sich bei Bedarf auch bewegen. In der Klinik hingegen sei er den gesamten Arbeitstag sowohl geistig als auch körperlich gefordert.

Die Rostocker Richter sprachen ihm einen Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall nach § 3 Abs. 1 Satz 1, 4 Abs. 1 EFZG zu.

LAG: Passgenaue AU muss nicht fragwürdig sein

Die Arbeitgeberin hatte weiter damit argumentiert, dass der Mediziner seit seiner Kündigung im August 2021 bis zu seinem Austritt Ende Februar 2022 47 Kalendertage krank gewesen war. Zudem sei die Krankschreibung exakt auf den Beginn seines Resturlaubs vor Austritt abgestimmt gewesen.

Auch dies erschütterte für das LAG den Beweiswert der Krankschreibung nicht. Die AU sei das gesetzlich vorgesehene Beweismittel für die Arbeitsunfähigkeit. Zwar könne deren Beweiswert vom Arbeitgeber erschüttert werden, wenn er gegenteilige Umstände darlege und gegebenenfalls beweise. 

Krankheiten könnten aber vor und nach dem Zeitpunkt der Kündigung auftreten. Aus einer weniger hohen Motivation in der Ablösungsphase könne man nicht ohne weitere Umstände schließen, dass die AU-Bescheinigung makelbehaftet sei.

LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 13.07.2023 - 5 Sa 1/23

Redaktion beck-aktuell, 24. August 2023.