Zwischen einem Fleischer und seinem Arbeitgeber, einem Wursthersteller, herrschte Streit über die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Der heute 24-Jährige war seit 2020 für die Firma im Schichtdienst tätig, seit 2021 als stellvertretender Abteilungsleiter der Pökelei. Von Oktober bis Dezember 2022 war er mehrfach arbeitsunfähig erkrankt, was ihm sein Arzt bescheinigte. Am 9. Dezember, einem Freitag, dem letzten Tag seiner Krankschreibung, kündigte er fristgerecht zum 15. Januar. Das Schreiben übergab er am darauffolgenden Montag persönlich im Betrieb. Ab Dienstag war er erneut krank: Sein Hausarzt schrieb ihn am 13.12.2022 wegen Anpassungsstörungen zunächst bis zum 06.01.2023 krank. Zudem verschrieb er ihm Antidepressiva (die der Fleischer nicht einnahm) und überwies ihn an einen Psychiater (den er nicht aufsuchte). Am 02.01.2023 stellte der Mediziner eine Folgebescheinigung bis zum 16.01.2023 aus.
Der Fleischer war der Ansicht, ihm stehe Entgeltfortzahlung ab dem ersten Krankentag zu. Durch die körperlich schwere Arbeit habe er unter anderem an Schlafstörungen und Magenbeschwerden gelitten, was der Betrieb anzweifelte. Die Vorinstanz gab ihm (noch) Recht: Es könne dahinstehen, ob der Beweiswert der Bescheinigungen erschüttert sei. Nach Überzeugung des Gerichts sei der Arbeiter arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Die Berufung des Betriebs hatte Erfolg.
Das LAG Mecklenburg-Vorpommern kam zu dem Ergebnis, dass der Fleischer keinen Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts aus § 3 Abs. 1 Satz 1, § 4 Abs. 1 EFZG über den 12.12.2022 hinaus bis zum 31.12.2022 habe (Urteil vom 07.05.2024 - 5 Sa 98/23). Die von ihm vorgelegten Bescheinigungen und die pauschale Behauptung einer Anpassungsstörung seien nicht geeignet, seine Arbeitsunfähigkeit zu beweisen. Denn aufgrund des zeitlichen Zusammenfalls zwischen bescheinigter Arbeitsunfähigkeit sowie Beginn und Ende der Kündigungsfrist ("passgenau") hätte die Richterinnen und Richtern ernsthafte Zweifel am Beweiswert der Bescheinigung.
LAG gibt Hinweise für Arbeitnehmer
Das LAG gab Hinweise dazu, was Arbeitnehmer vortragen müssen, um ihre Krankheit nachzuweisen, wenn das nicht durch die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gelungen ist. So müssten konkrete Anhaltspunkte für eine bestehende Erkrankung dargelegt und notfalls bewiesen werden. Daran habe es hier gefehlt: Zu den ärztlichen Diagnosen habe der Erkrankte weder konkrete gesundheitliche Einschränkungen vorgetragen noch deren Auswirkungen auf seine Arbeitsfähigkeit bezogen auf die geschuldete Tätigkeit – auch nicht zumindest laienhaft – dargestellt.
Dass er die Medikamente ohne Rücksprache mit dem behandelnden Arzt nicht eingenommen und unabhängig davon auch nicht einen – ggf. längerfristigen – Termin bei einem Facharzt vereinbart habe, wecke Zweifel an einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit. Diese Zweifel habe er nicht ausgeräumt. Dass er sich um keine alternative Medikation mit weniger Nebenwirkungen bemüht habe, spreche ebenfalls gegen einen hohen Leidensdruck.
Anm. der Red.: Das Gericht über eine Berufung entschieden. Korrektur am 8.7.2024, 9.33 Uhr.