Entgegen BAG: LAG Köln verlangt Präventionsverfahren für Schwerbehinderte auch in der Wartezeit
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Arbeitgeber müssen auch innerhalb der ersten sechs Monate eines Arbeitsverhältnisses mit einem Schwerbehinderten vor einer Kündigung ein Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX durchführen, urteilt das LAG Köln. Ihnen soll aber eine Beweiserleichterung zugute kommen.

Die 6. Kammer des LAG Köln stellt sich mit ihrem am Freitag veröffentlichten Urteil (vom 12.09.2024 – 6 SLa 76/24) gegen die bisherige Rechtsprechung des BAG zur bis 2017 geltenden Vorgängernorm des § 84 SGB IX.

Innerhalb der ersten sechs Monate nach dem Beginn eines Arbeitsverhältnisses, der sogenannten Wartezeit, genießen auch schwerbehinderte Arbeitnehmer noch keinen Kündigungsschutz (§ 1 Abs. 1 KSchG, §§ 173 Abs. 1, 168 SGB IX). Der klagende schwerbehinderte Arbeitnehmer stützte sich aber darauf, dass ihm im Juni 2023 kurz vor Ablauf der sechsmonatigen Wartezeit gekündigt worden war, ohne dass der Arbeitgeber zuvor ein sogenanntes Präventionsverfahren nach § 167 SGB IX durchgeführt hatte. Dieses kooperative Verfahren müssen Arbeitgeber gemeinsam mit internem und externem Sachverstand, vor allem also mit der Schwerbehindertenvertretung, dem Integrationsamt oder einem Rehabilitationsträger, durchführen, wenn der Arbeitsplatz eines schwerbehinderten Arbeitnehmers gefährdet ist.

Laut dem BAG gilt das während der sechsmonatigen Wartezeit noch nicht (BAG, Urteil vom 21.04.2016 – 8 AZR 402/14), das LAG Köln beurteilt das jetzt anders. Nach Auffassung der 6. Kammer ergibt sich die vom BAG vorgenommene Sechs-Monats-Grenze weder aus dem Wortlaut der Vorschrift noch aus einer Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen. Arbeitgeber müssten daher auch innerhalb der ersten sechs Monate ein Präventionsverfahren durchführen, wenn sich Probleme anbahnten.

Aber Beweiserleichterung zugunsten des Arbeitgebers

Dem klagenden Arbeitnehmer brachte das in der Sache nichts: Weil auch das LAG - wie das BAG - von strukturellen Problemen dabei ausgeht, ein Präventionsverfahren vor Ablauf der ersten sechs Monate ("Probezeit") zum Abschluss zu bringen, geht es in dieser Sonderkonstellation von einer Beweiserleichterung zugunsten des Arbeitgebers aus, um die Wartezeitkündigung gegenüber einem schwerbehinderten Menschen nicht faktisch vollständig auszuschließen. Die unstreitigen Tatsachen in dem vom LAG entschiedenen Fall führten das LAG zu der Auffassung, dass die Probezeitkündigung des klagenden Arbeitnehmers nicht auf dessen Schwerbehinderung zurückzuführen war, seine Kündigungsschutzklage war erfolglos.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Gegen das Urteil kann Revision beim Bundesarbeitsgericht eingelegt werden.

LAG Köln, Urteil vom 12.09.2024 - 6 SLa 76/24

Redaktion beck-aktuell, pl, 16. September 2024.