Ein Anwalt bearbeitete in einer Rechtsanwaltsgesellschaft Mandate aus dem Versicherungsrecht und dem allgemeinen Zivilrecht. Nachdem die Kanzlei festgestellt hatte, dass dieses Dezernat nicht kostendeckend arbeitete, erörterte sie die Möglichkeit eines Wechsels in die "Abgas-und Wirecard-Abteilung". Der Anwalt lehnte es aber ab, in diese Massenverfahren einzusteigen. Zwei Monate später erhielt er die Kündigung "aus betrieblichen Gründen". Kurze Zeit später brüstete sich das Unternehmen auf Instagram mit der Behauptung: "...Wir haben extrem viel Geschäft gemacht. Wir haben über 30.000 Fälle in den letzten zehn Monaten hier reingegeben an neuen Sachen. Und die müssen abgearbeitet werden. …". Frisch eingestellt wurden 13 Rechtsanwälte.
Der gekündigte Arbeitnehmer suchte sich eine neue Stelle in einer anderen Stadt. Von dort aus soll er einigen "alten" Mandanten angeboten haben, sie mitzunehmen. Dies nahm die ehemalige Kanzlei zum Anlass, ihm nunmehr aus einem wichtigen Grund nach § 626 BGB zu kündigen, da er ihr verbotene Konkurrenz mache. Das Kündigungsschutzverfahren endete zugunsten des Arbeitnehmers.
Vorrang der Änderungskündigung vor der Beendigungskündigung
Das LAG Köln (Urteil vom 24.04.2025 – 6 SLa 302/24) stellte fest, dass beide Kündigungen unwirksam waren. Die erste Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt (§ 1 Abs. 1 KSchG), da eine Änderungskündigung möglich gewesen wäre. Auch wenn der Anwalt in einem Gespräch die alternative Tätigkeit abgelehnt habe, hätte die Änderungskündigung ausgesprochen werden müssen. Wegen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes komme eine Kündigung nur dann in Betracht, wenn auch eine Änderungskündigung ausscheide.
Dafür hätte der betroffene Arbeitnehmer auch nach einer Konfrontation mit der Möglichkeit der Änderungskündigung bei seiner Weigerung bleiben müssen. Selbst nach dem Vortrag der Kanzlei habe das Mitarbeitergespräch diese Wendung aber nicht genommen. Und angesichts der Neuanstellungen habe es definitiv alternative Beschäftigungsmöglichkeiten gegeben.
Auch die Kündigung wegen verbotener Konkurrenztätigkeit schied nach Ansicht des LAG Köln aus, weil die neue Stelle schon nicht im Einzugsbereich der ehemaligen Arbeitgeberin lag. Außerdem seien Arbeitnehmer nach neuerer Rechtsprechung des BAG gehalten, nach Ablauf der Kündigungsfrist eine andere Beschäftigung aufzunehmen, um sich nicht dem Vorwurf nach § 615 Satz 2 BGB auszusetzen, sie hätten es böswillig unterlassen, anderweitig Geld zu verdienen.