Das "d" in m/w/d steht nicht für "Mensch dritter Klasse"
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Das LAG Hamburg geht nicht davon aus, dass durch die Formulierung "m/w/d" Hermaphroditen von einer Bewerbung auf eine Stellenausschreibung abgehalten werden sollen – auch dann nicht, wenn besonders Männer aufgefordert wurden, sich zu bewerben. Die waren nämlich unterrepräsentiert. 

Das Land Hamburg suchte eine "Referentin bzw. Referent (m/w/d) für Familienbildung". Es forderte besonders Männer – da unterrepräsentiert – auf, sich zu bewerben. Zu den Interessierten gehörte unter anderem eine biologisch zweigeschlechtlich geborene Person. Diese wies in ihrer Bewerbung auf diese Tatsache und auf ihre Schwerbehinderung hin. Sie wurde zwar zum Vorstellungsgespräch eingeladen, erhielt aber trotz eines Masters of Law mit Wahlschwerpunkt Familienrecht die Stelle nicht.

Ursache, so ihre Überzeugung, war eine Diskriminierung wegen des Geschlechts: Das "d" aus der Abkürzung m/w/d in der Ausschreibung könne auch für "Mensch dritter Klasse" stehen, außerdem würden zweigeschlechtliche Menschen (Hermaphroditen) offenkundig nicht davon erfasst. Schon die Aufforderung, dass sich bevorzugt Männer bewerben sollten, zeige, dass die Stelle mit einem eingeschlechtlichen Menschen habe besetzt werden sollen. Dementsprechend habe sie auf ihre Bewerbungsmail hin auch eine Antwort mit der Anrede "Sehr geehrte Damen und Herren" erhalten.

Die Schadensersatzklage nach dem Allgemeinen Gleichstellungsgesetz gegen das Land scheiterte bereits im Prozesskostenhilfeverfahren an mangelnder Erfolgsaussicht. Die Behauptung, so das Landesarbeitsgericht Hamburg auf die sofortige Beschwerde hin, dass die Abkürzung "d" für irgendetwas anderes stehen sollte als für "divers", sei abwegig (Beschluss vom 14.08.2023  4 Ta 10/22). Durch diese Angabe sei die Stellenanzeige vielmehr bewusst geschlechtsneutral formuliert worden. Die besondere Aufforderung an Männer, am Verfahren teilzunehmen, ändere daran nichts. Vielmehr sei die Behörde damit ihren Verpflichtungen aus dem Hamburger Gleichstellungsgesetz nachgekommen. Bei der erhaltenen Antwortmail schließlich habe es sich nicht um eine bewusste, von einem Menschen verfasste Eingangsbestätigung gehandelt, sondern lediglich um die automatisierte Abwesenheitsnachricht des Referatsleiters.

Die Hamburger Arbeitsgerichte zwingen die betroffene Person in ihren Entscheidungen nicht in eine Geschlechtsrolle. Statt der geläufigeren Bezeichnungen "Kläger" oder "Klägerin" wählen sowohl das Arbeitsgericht als auch das LAG – bewusst, wie man annehmen kann – durchgehend die neutrale Form "Klagepartei" oder "klagende Partei". 

LAG Hamburg, Beschluss vom 14.08.2023 - 4 Ta 10/22

Redaktion beck-aktuell, Michael Dollmann, 6. Dezember 2023.