Betriebsstilllegung: Kündigung wegen fehlerhafter Sozialauswahl unwirksam

Bei einer etappenweisen Betriebsstilllegung hat der Arbeitgeber nicht die freie Wahl, wem er wann kündigt. Mit den Abwicklungsarbeiten sind grundsätzlich die sozial schutzwürdigsten Mitarbeitenden zu beschäftigen. Eine Kündigung aufgrund einer fehlerhaften Sozialauswahl ist laut LAG Düsseldorf unwirksam. 

Eine Firma, die Aluminiumgussteile herstellte und vertrieb und zuletzt knapp 600 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigte, meldete Insolvenz an. Ende 2022 sprach sie schließlich allen Beschäftigten betriebsbedingte Kündigungen aus. In der Folge wurden alle Mitarbeitenden unwiderruflich freigestellt – außer 53 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die das sogenannte Abwicklungsteam bildeten. Auch diesen Mitarbeitenden wurde schrittweise bis Juni 2023 gekündigt. Ein Mann, der seit über zehn Jahren bei dem Unternehmen beschäftigt und Teil des Abwicklungsteams war, wollte seine zum 31. März ausgesprochene Kündigung nicht akzeptieren und zog vor Gericht – mit Erfolg.

Nach Ansicht des LAG Düsseldorf war die Kündigung unwirksam (Urteil vom 09.01.2024 – 3 Sa 529/23). Dies folge zwar nicht aus § 17 KSchG in Verbindung mit § 134 BGB wegen einer nicht ordnungsgemäßen Massenentlassungszeige. Etwaige Fehler in diesem Zusammenhang stellten keinen Unwirksamkeitsgrund dar, weil Zweck der Anzeige nicht der Individualschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sei.

Die Kündigung sei jedoch aufgrund einer nicht ordnungsgemäßen Sozialauswahl gemäß § 1 Abs. 3 KSchG rechtsunwirksam. Bei einer etappenweisen Betriebsstilllegung habe der Arbeitgeber keine freie Auswahl, wem er früher oder später kündigt. Es seien grundsätzlich die sozial schutzwürdigsten Arbeitnehmenden mit den Abwicklungsarbeiten zu beschäftigen. Laut LAG hat das Unternehmen die Sozialauswahl methodisch fehlerhaft durchgeführt, weil es die Vergleichsgruppen fehlerhaft gebildet hat – nämlich insbesondere anhand der ursprünglich ausgeübten und nicht anhand der noch im Abwicklungsteam anfallenden Tätigkeiten. Das Unternehmen habe nicht hinreichend dargelegt, welche Aufgaben mit welcher Dauer im Abwicklungsteam anfielen, welche Anforderungsprofile dafür erforderlich waren und wie auf dieser Grundlage ein Vergleich vorgenommen werden soll. Die daraus folgende Vermutung der fehlerhaften Sozialauswahl sei deswegen nicht widerlegt worden. Die Revision wurde nicht zugelassen.

LAG Düsseldorf, Urteil vom 09.01.2024 - 3 Sa 529/23

Redaktion beck-aktuell, mm, 12. Januar 2024.