COVID-19-Quarantäne: Nichtanrechnung auf Urlaub nur mit ärztlicher Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Wer während seines Urlaubs an COVID-19 erkrankt, muss sich ärztlich bescheinigen lassen, dass er aufgrund der Erkrankung arbeitsunfähig ist. Ansonsten ist der Arbeitgeber nicht zur Nachgewährung von Urlaub verpflichtet, entschied das Landesarbeitsgericht Düsseldorf. Der behördliche Bescheid, mit dem Quarantäne angeordnet worden sei, genüge insoweit nicht. Das LAG hat die Revision zugelassen.

Häusliche Quarantäne während Erholungsurlaubs

Die Klägerin, eine Maschinenbedienerin in einem Produktionsbetrieb, befand sich in der Zeit vom 10.12.2020 bis zum 31.12.2020 in bewilligtem Erholungsurlaub. Nach einem Kontakt mit ihrer mit COVID-19 infizierten Tochter ordnete das Gesundheitsamt zunächst eine häusliche Quarantäne bis zum 16.12.2020 an. Bei einer Testung am 16.12.2020 wurde bei der Klägerin eine Infektion mit COVID-19 festgestellt. Daraufhin ordnete das Gesundheitsamt für die Klägerin mit Bescheid vom 17.12.2020 häusliche Quarantäne vom 06.12.2020 bis zum 23.12.2020 an. Das Schreiben enthielt den Hinweis, dass die Klägerin als Kranke im Sinn des § 2 Nr. 4 IfSG anzusehen sei. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch einen Arzt ließ sich die Klägerin nicht ausstellen.

Streit um Nachgewährung von Urlaubstagen

Die Klägerin verlangte von ihrer Arbeitgeberin die Nachgewährung von zehn Urlaubstagen für die Zeit vom 10.12.2020 bis 23.12.2020. Sie meinte, diese seien wegen der durch das Gesundheitsamt verhängten Quarantäne nicht verbraucht. Die Arbeitgeberin war der Ansicht, dass sie den Urlaubsanspruch der Klägerin auch in diesem Zeitraum erfüllt habe. Der Landschaftsverband lehne in derartigen Fällen Erstattungsanträge mit der Begründung ab, dass für bereits genehmigten Urlaub kein Verdienstausfall entstehe und die Voraussetzung für eine Erstattung nach dem IfSG deshalb nicht erfüllt sei.

LAG: Nichtanrechnung erfordert ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung 

Die Klage hatte weder in erster noch in zweiter Instanz Erfolg. Das LAG Düsseldorf begründet die Klageabweisung mit der gesetzlichen Regelung in § 9 BUrlG. Die Vorschrift unterscheide zwischen Erkrankung und darauf beruhender Arbeitsunfähigkeit. Beide Begriffe seien nicht gleichzusetzen. Danach erfordere die Nichtanrechnung der Urlaubstage bei bereits bewilligtem Urlaub, dass durch ein ärztliches Zeugnis nachgewiesen ist, dass aufgrund der Erkrankung Arbeitsunfähigkeit gegeben ist. Daran fehle es hier. Aus dem Bescheid des Gesundheitsamts ergebe sich lediglich, dass die Klägerin an COVID-19 erkrankt war. Eine Beurteilung der Arbeitsfähigkeit der Klägerin durch einen Arzt sei nicht vorgenommen worden.

§ 9 BUrlG nicht analog anzuwenden

Eine analoge Anwendung der eng begrenzten Ausnahmevorschrift des § 9 BUrlG schließt das LAG aus. Nach der Konzeption des BUrlG fielen urlaubsstörende Ereignisse als Teil des persönlichen Lebensschicksals grundsätzlich in den Risikobereich des einzelnen Arbeitnehmers. Eine Analogie komme nur in Betracht, wenn generell und nicht nur im konkreten Einzelfall eine COVID-19-Infektion zu Arbeitsunfähigkeit führt. Dies sei indes nicht der Fall. Eine Erkrankung mit COVID-19 führe zum Beispiel bei einem symptomlosen Verlauf nicht automatisch zu einer Arbeitsunfähigkeit. Es liege damit bei einer COVID-19-Infektion keine generelle Sachlage vor, die eine entsprechende Anwendung von § 9 BUrlG rechtfertigt.

LAG Düsseldorf, Urteil vom 15.10.2021 - 7 Sa 857/21

Redaktion beck-aktuell, 18. Oktober 2021.