Kurierfahrer als Mitglied eines Wahlvorstands trotz Kündigung zu beschäftigen

Ein Arbeitnehmer eines Kurierdienstes und Mitglied des Wahlvorstands für die Betriebsratswahl muss trotz ausgesprochener Kündigung vorläufig beschäftigt werden. Das hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg im einstweiligen Rechtschutz entschieden. Für Wahlvorstands-Mitglieder gelte ein besonderer Kündigungsschutz, der hier greife. Deswegen sei vom Fortbestand des Arbeitsverhältnisses und entsprechend von einem Anspruch auf Beschäftigung auszugehen.

Kurier wegen Teilnahme an illegalem Streik gekündigt

Der Kurierdienst erklärte gegenüber einem als "Rider" beschäftigten Arbeitnehmer eine außerordentliche Kündigung. Dies begründete der Kurierdienst damit, der Rider habe sich an einem illegalen Streik beteiligt. Der Arbeitnehmer hat im Wege des einstweiligen Rechtschutzes seine weitere tatsächliche Beschäftigung verlangt und geltend gemacht, er müsse auch vor der bisher noch ausstehenden Entscheidung des Arbeitsgerichts über diese Kündigung vorläufig weiterbeschäftigt werden. Die Kündigung sei offensichtlich unwirksam, weil er Mitglied des Wahlvorstands für die anstehende Betriebsratswahl gewesen sei.

LAG: Kündigung wegen Sonderkündigungsschutzes offensichtlich unwirksam

Das LAG hat dem Antrag des Arbeitnehmers für die Zeit bis zum Ablauf der vereinbarten Befristung seines Arbeitsverhältnisses anders als zuvor das ArbG stattgegeben und ausgeführt, der erforderliche Verfügungsanspruch und ein Verfügungsgrund liege vor. Es sei von einer offensichtlichen Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung auszugehen. Der Arbeitnehmer sei gemäß den von ihm glaubhaft gemachten Angaben zum maßgeblichen Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung Mitglied des Wahlvorstands gewesen und werde damit von dem besonderen Kündigungsschutz nach § 15 Absatz 3 Kündigungsschutzgesetz erfasst.

Anspruch auf Beschäftigung wegen fortbestehenden Arbeitsverhältnisses

Die aufgrund dieses Sonderkündigungsschutzes für eine Kündigung gemäß § 103 Abs. 2a BetrVG erforderliche vorherige gerichtliche Zustimmungsersetzung liege nicht vor. Da von einem fortbestehenden Arbeitsverhältnis auszugehen sei, bestehe auch ein Anspruch auf Beschäftigung. Dieser Anspruch sei im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes durchsetzbar, da einerseits das Recht des Arbeitnehmers auf Beschäftigung sonst durch Zeitablauf unwiederbringlich verloren sei und andererseits kein berechtigtes Interesse der Arbeitgeberin an der Aufrechterhaltung eines rechtswidrigen Zustandes angenommen werden könne. Ausgehend hiervon überwiege auch im Hinblick auf den Zweck des gesetzlichen Sonderkündigungsschutzes das Beschäftigungsinteresse. Ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung ist nicht gegeben.

LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12.01.2022 - 23 SaGa 1521/21

Redaktion beck-aktuell, 7. Februar 2022.