Wer nach dem Manteltarifvertrag (MTV) für die Beschäftigten im Einzelhandel im Land Brandenburg beschäftigt ist, erhält einen Mehrarbeitszuschlag von 25% bei Überschreitung der tarifvertraglichen Wochenarbeitszeit für Vollzeitbeschäftigte von 38 Stunden. Diese Regelung gilt für alle Beschäftigten, auch Teilzeitbeschäftigte.
Eine Mitarbeiterin eines Unternehmens arbeitete im Verkauf in Teilzeit. Dabei leistete sie in einem Zeitraum von sechs Monaten 62 Überstunden. Sie arbeitete jedoch in keiner Woche mehr als 38 Stunden. Ihr Arbeitgeber weigerte sich, ihr Überstundenzuschläge zu zahlen. Er verwies auf die tarifvertragliche Regelung und den gesetzlichen Schutz der Tarifautonomie.
Tarifvertragliche Regelung diskriminiert Teilzeitbeschäftigte
Daraufhin klagte die Arbeitnehmerin. Das LAG hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben (Urteil vom 16. Mai 2025 – 12 Sa 1016/24). Die Regelung des MTV, wonach die Mehrarbeitszuschläge erst ab der 39. Wochenstunde gezahlt werden, benachteilige Teilzeitbeschäftigte. Der MTV formuliere eine einheitliche Untergrenze für Überstundenzuschläge, berücksichtige dabei aber nicht die geringere Arbeitszeit Teilzeitbeschäftigter. Eine solche Benachteiligung sei nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt, so das Gericht.
Auch ergebe sich keine Rechtfertigung aus den arbeitsschutzrechtlichen Begrenzungen der Arbeitszeit. Der Tarifvertrag stelle nämlich nicht auf die Überschreitung der regelmäßigen werktäglichen Arbeitszeit von acht Arbeitsstunden oder der gesetzlichen Wochenhöchstarbeitszeit von 48 Stunden ab, sondern lediglich auf die Überschreitung der regelmäßigen tariflich festgelegten wöchentlichen Arbeitszeit von 38 Stunden.
"Anpassung nach oben" hier direkt möglich
Folge der verbotswidrigen Diskriminierung sei eine Gleichstellung der Teilzeitbeschäftigten durch gerichtliche Entscheidung, wobei die Überschreitung der individuellen Wochenarbeitszeit Mehrarbeitszuschläge im Sinne einer "Anpassung nach oben" auslöse. Zwar sei nach einer BVerfG-Entscheidung aus dem Jahr 2024 (Az. 1 BvR 1109/21) im Falle eines Verstoßes gegen den grundgesetzlich verankerten allgemeinen Gleichheitssatz grundsätzlich eine tarifvertragliche Korrektur durch die Tarifvertragsparteien vorrangig vor einer gerichtlich festgesetzten Anpassung nach oben zu ermöglichen, gegebenenfalls durch die Aussetzung des gerichtlichen Verfahrens.
Dies begründe für den Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot zulasten von Teilzeitbeschäftigten aus § 4 Abs. 1 TzBfG aber nicht die Aussetzung des Verfahrens. Eine gegenüber der "Anpassung nach oben" vorrangige Aussetzung zur Ermöglichung von Tarifverhandlungen sei auf der Grundlage einer instanzgerichtlichen Einschätzung einer Tarifvorschrift als diskriminierend regelmäßig nicht angezeigt, wenn gegen die Entscheidung des Instanzgerichts ein Rechtsmittel zulässig sei. Das LAG Berlin-Brandenburg hat für den Arbeitgeber die Revision zum BAG zugelassen.