Kritik an Corona-Maßnahmen kostet Polizeiärztin Job

Einer beim Land Baden-Württemberg tätigen Polizeiärztin durfte gekündigt werden, nachdem sie in einer Zeitungsanzeige die Änderung des Infektionsschutzgesetzes vom 18.11.2020 mit dem "Ermächtigungsgesetz" vom 23.03.1933 gleichgesetzt hat. Hierdurch habe sie gegen ihre Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Landes verstoßen, so das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg. Insbesondere gehe es um die Pflicht, sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu bekennen.

Polizeiärztin schaltet kritische Anzeige zu Corona-Maßnahmen

Die Klägerin, die seit 2019 im polizeiärztlichen Dienst in Lahr in Teilzeit beschäftigt ist, veröffentlichte in einer kostenfrei erscheinenden Sonntagszeitung im Raum Offenburg unter ihrem Namen eine Kleinanzeige mit der Überschrift "Infektionsschutzgesetz = Ermächtigungsgesetz". Sodann hieß es: "Zwangsimpfung – Wegnehmen der Kinder – Schutzlos in der eigenen Wohnung – Geschlossene Grenzen – Arbeitsverbot – Gefängnis. Wir, die Bürger von Deutschland, sollen alle unsere Rechte verlieren. Wir müssen Widerstand leisten." In einem Kästchen war dann "18.11.20, 14-17 Uhr, Bundestag Berlin" vermerkt. An diesem Tag hat der Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates das "Dritte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite", das unter anderem das Infektionsschutzgesetz (IfSG) geändert hat, beschlossen. Am selben Tag war eine hiergegen gerichtete Demonstration in Berlin vor dem Bundestag angemeldet.

Land kündigt Arbeitsverhältnis mangels Eignung

Das Land Baden-Württemberg kündigte der Klägerin aufgrund dieser Anzeige am 10.02.2021 ordentlich. Dies begründete es insbesondere mit der mangelnden Eignung der Klägerin für die Tätigkeit als Polizeiärztin. Im Übrigen habe die im öffentlichen Dienst beschäftigte Klägerin mit ihrem Verhalten arbeitsvertragliche Pflichten verletzt. Zu den Treuepflichten gehöre es, den Staat, die Verfassung und staatliche Organe nicht verächtlich zu machen. Die Überzeugung der Klägerin sei nicht durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit gedeckt. Die Klägerin ist der Auffassung, dass ihr außerdienstliches Eintreten für die Wahrung der Grundrechte keine Verletzung ihrer Pflichten gegenüber dem Arbeitgeber darstellten. Das Gegenteil sei der Fall. Ihr Verhalten untermauere gerade ihre Loyalität zum Grundgesetz, zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung und zu den Grundfesten des Landes Baden-Württemberg.

ArbG Freiburg bestätigte Kündigung

Das Arbeitsgericht Freiburg, Kammern Offenburg, wies mit Urteil vom 05.08.2021 die Kündigungsschutzklage ab (Az.: 5 Ca 64/21). Die ordentliche Kündigung sei aufgrund der fehlenden Eignung der Klägerin sozial gerechtfertigt. Die Klägerin habe als eine im öffentlichen Dienst angestellte Polizeiärztin eine gesteigerte politische Treuepflicht. Sie habe mit dem Begriff "Ermächtigungsgesetz" bewusst auf das nationalsozialistische Ermächtigungsgesetz von 1933 Bezug genommen und damit Staatsorgane verächtlich gemacht. Die Klägerin hat gegen dieses Urteil am 06.09.2021 Berufung eingelegt. Sie ist nach wie vor der Auffassung, dass die Kündigung unwirksam sei. Weder habe sie außerdienstlich eine strafbare Handlung begangen noch habe sie gegen ihre vertragliche Pflicht zur politischen Zurückhaltung und Verfassungstreue verstoßen. Die Verwendung des Begriffs "Ermächtigungsgesetz" mache den Bundestag und seine Mitglieder nicht verächtlich. Ihr Anliegen sei es gewesen, das Gewaltenteilungsprinzip auch in einer Notlage zu wahren. Sie dürfe eine Meinung darüber haben, wessen Aufgabe es sei, den richtigen Weg zur Bekämpfung der Pandemie zu finden. Sie übe als Polizeiärztin zudem keine hoheitliche Aufgabe aus.

Land sieht Staatsorgane auch durch Leugnung der Pandemie verächtlich gemacht

Das beklagte Land verteidigte das erstinstanzliche Urteil. Die Klägerin unterliege einer gesteigerten beamtenähnlichen Treuepflicht. Mit der Anzeige habe sie die verfassungsmäßige Ordnung aktiv bekämpft und den Bundestag sowie die Abgeordneten verächtlich gemacht, indem sie ihnen eine demokratiefeindliche Gesinnung unterstellt habe. Sie habe mit dem Appell zur Teilnahme an der Demonstration auch zum Widerstand gegen die Polizei aufgerufen. Weitere Äußerungen in einem Personalgespräch zeigten, dass sie die Covid-19-Pandemie leugne. Auch damit mache sie die Entscheidungsträger des Infektionsschutzgesetzes verächtlich. Das LAG hat die Entscheidung des ArbG bestätigt: Die Kündigung sei wirksam.

LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 02.02.2021 - 10 Sa 66/21

Redaktion beck-aktuell, 3. Februar 2022.