Unzulässige Stellenanzeige: "Digital Native" ist Altersdiskriminierung
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Wer für das "dynamische Team" nicht nur einen "Buddy", sondern auch einen "Digital Native" sucht, bekommt es mit dem AGG zu tun. Ein Bewerber – Jahrgang 1972 – klagte vor dem LAG Baden-Württemberg gegen eine solche Stellenausschreibung. Mit Erfolg.

Enthält eine Stellenausschreibung die Formulierung "Digital Native", vermutet das Gesetz dahinter eine Altersdiskriminierung. Lehnt ein Arbeitgeber eine Bewerberin oder einen Bewerber ab, der oder die nicht in die benannte Generation fällt, muss er beweisen, dass das Alter nicht ausschlaggebend war, so das LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 07.11.2024 – 177 Sa 2/24).

Ein Sportartikelhändler hatte in einer Stellenanzeige Folgendes vorausgesetzt: "Als Digital Native fühlst Du dich in der Welt der Social Media, der Datengetriebenen PR, des Bewegtbilds und allen gängigen Programmen […] zu Hause." Er suche außerdem einen "absoluten Teambuddy" und biete ein "dynamisches Team mit attraktiver Vergütung und Chancen zur beruflichen Entwicklung". Darauf bewarb sich ein Diplom-Wirtschaftsjurist mit einer Gehaltsvorstellung von 90.000 Euro, wurde jedoch abgelehnt.

Firm im Digitalen oder im digitalen Zeitalter geboren?

Da er 1972 geboren worden – und damit seines Erachtens kein "Digital Native" – war, witterte er eine Altersdiskriminierung und klagte, gestützt auf das AGG, vor dem ArbG Heilbronn. Sein Ziel: Eine Entschädigung in Höhe von von fünf Monatsgehältern, insgesamt 37.500 Euro. Das ArbG gab ihm Recht, reduzierte die Entschädigung aber auf 7.500 Euro. Das LAG bestätigte dies nun im Ergebnis.

Der Bewerber hatte argumentiert, dass der Begriff "Digital Native" auf eine bestimmte Generation abstelle, der er nicht angehöre. In Jahreszahlen würden damit nur Bewerberinnen und Bewerber angesprochen, die nach 1980 geboren seien. Der Arbeitgeber verstand die Bezeichnung hingegen weiter. Man könne "Digital Native" auf verschiedene Art und Weise auslegen, wobei die Bezeichnung nicht auf das Alter abstelle, sondern nur auf die Fähigkeiten und Kenntnisse der jeweiligen Person. Wer firm in der digitalen Welt und der zugehörigen Sprache sei, gehöre in diesem Sinne zu den "Digital Natives". Außerdem lasse sich das digitale Zeitalter kaum einheitlich definieren.

"Digital Native" meint eine Generation

Dem folgte die 17. Kammer des ArbG nicht. Sie bezog sich in ihrer Begründung auf den US-amerikanischen Autor Marc Perensky, der den Begriff "Digital Native" 2001 geprägt habe. Demnach beschreibe er eine Generation von Menschen, die mit digitalen Technologien wie Computern, dem Internet und anderen mobilen Geräten aufgewachsen sei. Perensky stelle sie außerdem der Generation der "Digital Immigrants" gegenüber, die spiegelbildlich nicht mit diesen Technologien groß geworden sei. Auch den Duden zog die Kammer heran, der mit Digital Native ebenfalls eine Person meine, die mit digitalen Technologien aufgewachsen und in ihrer Benutzung geübt sei. Wikipedia definiere den Begriff ähnlich. 

Das Unternehmen hätte davon ausgehen müssen, dass die angesprochenen – hochqualifizierten – Bewerberinnen und Bewerber die englische Sprache gut genug beherrschten, um den Ausdruck "Digital Native" im üblichen Sinne zu verstehen, das heißt wie von Duden und Wikipedia wiedergegeben, so das Gericht. Hinzu komme auch, dass die Stellenanzeige mit Wörtern wie "Teambuddy" und einem "dynamischen" Team eher die jüngere Generation anspreche. Die Kammer legte sich zwar nicht auf ein Startdatum des digitalen Zeitalters fest, Jahrgänge vor 1980 gehörten aber jedenfalls nicht zu den "Natives".

Das AGG vermute in einem solchen Fall, dass ein Bewerber oder eine Bewerberin zumindest auch aus Altersgründen abgelehnt worden sei, so das Gericht. Hier hätte nun der Arbeitgeber den Gegenbeweis liefern müssen.

Gegenbeweis gescheitert

Die Kammer nannte mehrere Möglichkeiten, mit denen sich der Vorwurf der Altersdiskriminierung ausräumen ließe. Erstens dann, wenn dem Bewerber oder der Bewerberin eine unverzichtbare Qualifikation fehle. Das sei hier aber nicht der Fall gewesen. Im Gegenteil sei der Bewerber nach Auffassung des Arbeitgebers sogar überqualifiziert gewesen.

Zweitens hätte der Arbeitgeber beweisen können, dass er alle Bewerbungen gleichermaßen an bestimmten Kriterien scheitern lasse. In diesem Fall könne sich der Bewerber nicht auf eine Ungleichbehandlung berufen. Hier stand auch die fehlende Sportaffinität des Mannes im Raum. Der Arbeitgeber hätte dafür aber beweisen müssen, dass es ein solches einheitliches Verfahren gegeben und dass er dieses auch konsequent zu Ende geführt habe. Beides sei ihm nicht gelungen.

Kein Rechtsmissbrauch wegen Überqualifizierung

Im AGG-Recht schnell bei der Hand ist der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs. In der Tat erkennen die Gerichte eine rechtsmissbräuchliche Bewerbung an, wenn man es nur auf Entschädigungsansprüche abgesehen hat, ohne wirklich an der Stelle interessiert zu sein. Der Arbeitgeber hatte das auch im vorliegenden Fall hilfsweise geltend gemacht und dabei auf die vermeintliche Überqualifizierung des Bewerbers verwiesen. Auch das zu Unrecht, wie das LAG entschied.

Ein krasses Missverhältnis zwischen Stellenanzeige und Bewerber könne zwar einen Rechtsmissbrauch nahelegen. Hier sei das allerdings nicht zu erkennen. Die Gehaltsvorstellung des Bewerbers sei nicht hoch genug gewesen, als dass er es offensichtlich auf eine Absage abgesehen hätte. Zweitens sei er zwar überqualifiziert gewesen, weil er über "langjährige Führungsqualitäten" verfügte, während die Stellenanzeige eine solche nicht erforderte. Das sei allerdings noch nicht gravierend genug, zumal seine vorherige Stelle laut Lebenslauf ebenfalls keine Führungsverantwortung gehabt habe.

LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 07.11.2024 - 17 Sa 2/24

Redaktion beck-aktuell, tbh, 4. April 2025.

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