Länder billigen neue Gesetze und fordern Verbot von Einweg-E-Zigarette
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Der Bundesrat hat am Freitag Gesetzesvorhaben zu virtuellen Mitgliederversammlungen und zur Beschleunigung großer Infrastrukturmaßnahmen gebilligt. Er gab zudem grünes Licht für die Neuregelung der Aufsicht über Rechtsdienstleistungen und den Ausbau erneuerbarer Energien. Ausführlich nahmen die Länder Stellung zum geplanten Deutschlandticket und beschlossen eigene Initiativen wie etwa zum Verbot von Einweg-E-Zigaretten.

Grünes Licht für digitale Mitgliederversammlungen

Der Bundesrat hat am Freitag das vom Bundestag beschlossene Gesetz zur Ermöglichung hybrider und virtueller Mitgliederversammlungen im Vereinsrecht gebilligt. Das Gesetz ergänzt das Bürgerliche Gesetzbuch um eine Regelung, die es erlaubt, dass Vereinsmitglieder auch im Weg der elektronischen Kommunikation an der Mitgliederversammlung teilnehmen und andere Mitgliederrechte ausüben können. Neben dieser Möglichkeit der hybriden Versammlung können die Mitglieder auch beschließen, dass Versammlungen rein virtuell stattfinden, die Teilnahme also nur mittels elektronischer Kommunikation möglich ist. Wird eine hybride oder virtuelle Versammlung einberufen, muss bei der Berufung angegeben werden, wie die Mitglieder ihre Rechte im Weg der elektronischen Kommunikation ausüben können.

Änderung des Raumordnungsgesetzes

Der Ausbau erneuerbarer Energien soll mit Hilfe vereinfachter Verfahren deutlich beschleunigt werden. Das beschloss der Bundestag am Freitag in Berlin. Direkt im Anschluss passierte das Gesetz auch den Bundesrat. Es geht unter anderem um die Umsetzung einer EU-Verordnung. Die neuen Regelungen sehen schlankere Verfahren für Planung und Genehmigung von Windrädern an Land und auf See vor, für Anbindungsleitungen für Offshore-Windparks, für Solaranlagen auf Freiflächen und für die Stromnetze. So können Prüfungen zur Umweltverträglichkeit und zu Auswirkungen für den Artenschutz durch Windräder entfallen, wenn bei der Ausweisung des Gebiets für die Windenergie bereits ähnliche Untersuchungen stattgefunden haben. Behörden müssen die Öffentlichkeit künftig auch online über Planungen informieren.

Schnellere Gerichtsverfahren bei Infrastrukturprojekten

In seiner Sitzung am Freitag gab der Bundesrat außerdem grünes Licht für das Gesetz des Bundestages zur Beschleunigung bedeutsamer Infrastrukturvorhaben. Das Gesetz soll verwaltungsgerichtliche Verfahren zeitlich straffen. Ziel ist laut Gesetzesbegründung, die Verfahrensdauer für Vorhaben mit einer hohen wirtschaftlichen oder infrastrukturellen Bedeutung weiter zu reduzieren, ohne hierbei die Effektivität des Rechtsschutzes zu beeinträchtigen. Die Änderungen betreffen insbesondere die Verwaltungsgerichtsordnung. Für die zu beschleunigenden Verfahren soll das Gericht Erklärungen und Beweismittel, die nach Fristablauf vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlung entscheiden müssen, wenn die Verspätung nicht genügend entschuldigt ist. Dies soll zu einer Begrenzung des Prozessstoffs führen.

Übertragung auf Einzelrichter und Änderungen beim einstweiligen Rechtsschutz

Außerdem können bei solchen Verfahren Oberverwaltungsgerichte künftig die Entscheidung an einen Einzelrichter übertragen, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und keine grundsätzliche Bedeutung hat. Im Regelfall entscheiden dort derzeit drei Richter. Entsprechend soll am Bundesverwaltungsgericht der Senat in der Besetzung mit drei Richtern entscheiden können, im Regelfall sind es aktuell fünf Richter. Das Gesetz passt auch die Regeln zum Eilrechtsschutz in den zu beschleunigenden Verfahren an. Das Gericht kann danach Mängel an einem angegriffenen Verwaltungsakt außer Acht lassen, wenn offensichtlich ist, dass diese in absehbarer Zeit behoben sein werden. Zur Behebung solcher Mängel soll das Gericht eine Frist setzen.

Rechtsdienstleistungsaufsicht wird zentralisiert

Der Bundesrat billigte zudem das Gesetz zur Stärkung der Aufsicht bei Rechtsdienstleistungen und
zur Änderung weiterer Vorschriften. Ziel des Gesetzes ist die Zentralisierung der Aufsicht über die nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz registrierten Personen beim Bundesamt für Justiz. Zudem sollen umfassende bußgeldrechtliche Sanktionsregelungen für jegliche Form geschäftsmäßiger unbefugter Rechtsdienstleistungen geschaffen werden. Die aktuelle Fassung der Bußgeldvorschriften führe in zahlreichen Fallgestaltungen zu Ergebnissen, die wertungsmäßig kaum nachvollziehbar seien. Mit der Neuregelung in den §§ 3 und 20 RDG soll nach Mitteilung des Bundesrates deshalb eine umfassende bußgeldrechtliche Sanktionsregelung für jegliche Form geschäftsmäßiger unbefugter Rechtsdienstleistungen geschaffen werden.

Weitere kleinere Anpassungen im Berufsrecht

Rechtsanwältinnen und -anwälte, die in derselben Angelegenheit zuvor als wissenschaftliche Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter im widerstreitenden Interesse beruflich tätig waren, unterliegen einem Tätigkeitsverbot nach der Bundes-
rechtsanwaltsordnung. Dieses Tätigkeitsverbot gilt nach § 45 Absatz 2 Satz 1 BRAO auch für Rechtsanwältinnen und -anwälte, die ihren Beruf gemeinschaftlich mit der oder dem Betroffenen ausüben. Auf diese Sozietätserstreckung soll künftig in den Fällen verzichtet werden, in denen das Tätigkeitsverbot auf einer wissenschaftlichen Mitarbeit in der Zeit vom Beginn des rechtswissenschaftlichen Studiums bis zum Ende des Vorbereitungsdienstes beruht. Für Patentanwältinnen und -anwälte soll eine Parallelregelung geschaffen werden. Rechts- und Patentanwaltskammern sollen die Möglichkeit erhalten, im Einzelfall auf die Vorlage einer Bescheinigung der im Herkunftsstaat zuständigen
Stelle zu verzichten, wenn ausländische Anwältinnen oder Anwälte, die sich nach § 206 der BRAO oder § 157 der Patentanwaltsordnung in Deutschland niederlassen wollen, nachweisen, dass sie trotz Vornahme aller zumutbaren
Bemühungen keine Bescheinigung der in ihrem Herkunftsstaat zuständigen Stellen haben erlangen können.

Saarland stellt Appell zur Kindergrundsicherung vor

Das Saarland setzt sich für ein rasches Gesetzgebungsverfahren zur Kindergrundsicherung ein. Am Freitag stellte Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) einen entsprechenden Entschließungsantrag ihres Landes im Bundesrat vor – er wurde im Anschluss zur weiteren Beratung in die Fachausschüsse überwiesen. In der Entschließung solle der Bundesrat seine Sorge darüber ausdrücken, dass mehr als jedes fünfte Kind in Deutschland in Armut aufwächst. Dabei drücke sich Kinderarmut nicht nur durch einen Mangel an finanziellen Mitteln, sondern auch durch Benachteiligungen im Bildungs- und Gesundheitssystem, bei der Wohnsituation oder bei der gesellschaftlichen Teilhabe aus, heißt es im Landesantrag. Auch die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie und der deutliche Anstieg der Energie- und Lebensmittelpreise verschärften die Situation zusätzlich.

Deutschlandticket: Bundesrat fordert verbindliche Finanzierung

Der Bundesrat hat sich am Freitag außerdem mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Finanzierung des geplanten Deutschlandtickets im Regionalverkehr befasst – und dabei auf Änderungs- und Ergänzungsbedarf hingewiesen. Bund und Länder müssten den Preis des Deutschlandtickets ab 2024 in gemeinsamer Abstimmung jährlich festschreiben, um die Finanzierung verbindlich sicherzustellen, fordert der Bundesrat in seiner Stellungnahme. Er weist auf die Möglichkeit einer künftigen Preisanpassung hin. Der Bund müsse sich auch in den Jahren 2024 und 2025 hälftig an allen finanziellen Nachteilen beteiligen, die durch das Deutschlandticket entstehen – eingeschlossen die Kosten für Einnahmeaufteilung, Umsetzung und Evaluation des Tickets. Der Bundesrat erwarte, dass der Bund in den nächsten Jahren einen mindestens hälftigen Nachschuss leistet, sofern die tatsächlichen Kosten höher sind als angenommen und nicht durch Erhöhung der Ticketeinnahmen ausgeglichen werden können.

Dauerhafte Kostenregel

Zudem bemängelte der Bundesrat, dass der Gesetzentwurf zwar die unbefristete Einführung des Deutschlandtickets durch die Länder vorsehe, die Kostenbeteiligung des Bundes dagegen derzeit nur für die Jahre 2023 bis 2025 vorgesehen ist. Erforderlich sei aber eine gesetzliche Regelung zur dauerhaften hälftigen Mitfinanzierung des Bundes. Alternativ sei die Einführung des Deutschlandtickets auf die Jahre 2023 bis 2025 zu begrenzen – analog zum Geltungszeitraum der Kostenbeteiligung des Bundes. Das Deutschlandticket stelle zwar einen wichtigen Baustein für einen attraktiven und ressourcenschonenden Personennahverkehr dar. Es bedürfe allerdings weiterer Infrastrukturmaßnahmen, um die positiven Wirkungen des Tickets zu optimieren – vor allem mit Blick auf die Klimaziele von Bund und Ländern. Der Bundesrat fordert in seiner Stellungnahme eine angemessene Beteiligung des Bundes an den hierfür benötigten Mitteln und bittet um zeitnahe Aufnahme von Gesprächen mit den Ländern.

Bundesrat fordert Verbot von Einweg-Elektrozigaretten

Der Bundesrat forderte die Bundesregierung zudem auf, sich auf nationaler und EU-Ebene für ein wirkungsvolles Verbot des Inverkehrbringens von Einweg-E-Zigaretten einzusetzen. Eine entsprechende Entschließung hat die Länderkammer am Freitag auf Initiative Bayerns beschlossen. Darin bemängelt der Bundesrat, dass Einweg-Elektro-Zigaretten oftmals nicht fachgerecht als Elektrogerät, sondern über den Hausmüll entsorgt werden. Dadurch würden die darin enthaltenen Batterien der Verbrennung zugeführt, warnen die Länder. Einweg-E-Zigaretten könnten bauartbedingt weder nachgefüllt noch könne die Batterie ausgetauscht werden, weswegen sie unter dem Aspekt der Kreislaufwirtschaft und Ressourcenschonung sehr kritisch zu bewerten seien. Nach Ansicht des Bundesrates könnte sich auf EU-Ebene unter anderem – jedoch nicht ausschließlich – die Ausrichtung der geplanten Ökodesign-Verordnung auf die Kreislaufwirtschaft und den Ressourcenschutz dafür eignen, das Inverkehrbringen von Einweg-E-Zigaretten zu verhindern. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung in der Entschließung überdies auf, weitere Maßnahmen zu prüfen und gegebenenfalls zu ergreifen, um einer nicht sachgerechten Entsorgung von Einweg-E-Zigaretten wirkungsvoll entgegenzutreten.

Bundesrat verurteilt russischen Angriffskrieg und beschließt weitere Initiativen

Nach ausführlicher Debatte verurteilte das Plenum am Freitag den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine gut ein Jahr nach dessen Beginn in einer Entschließung erneut auf das Schärfste. Neben der Ukraine-Entschließung beschloss der Bundesrat unter anderem eigene Initiativen für eine kostenfreie Meisterfortbildung und zur Zulassung von staatlichen und staatlich anerkannten Schulen des Gesundheitswesens als Träger von Maßnahmen der Arbeitsförderung. Neu vorgestellt wurden Länderanträge unter anderem zur Stärkung der Beteiligung der Länder bei Aufnahmezusagen des Bundes nach dem Aufenthaltsgesetz.

Stellungnahme zu Regierungsentwürfen und EU-Vorlagen

Ausführlich äußerten sich die Länder zu weiteren Regierungsentwürfen – unter anderem zum Neustart für die Digitalisierung der Energiewende durch so genannte Smartmeter. Die Länder berieten zudem EU-Vorlagen mit Vorschlägen unter anderem zu den Themen Sofortüberweisung, Inklusion und Emissionsgrenzwerte für Kraftfahrzeuge. Der Bundesrat stimmte außerdem zwei Regierungsverordnungen zu: Änderungen bei der Festlegung der nicht geringen Menge an Dopingmitteln und bei der Anlage des Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetzes können somit in Kraft treten.

Redaktion beck-aktuell, Esther Wiemann, 3. März 2023 (ergänzt durch Material der dpa).