Kurzzeitverträge in der Wissenschaft: Bundeskabinett beschließt Reform
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Junge Wissenschaftler hangeln sich von Kurzzeitvertrag zu Kurzzeitvertrag. Eine Reform soll nun die Arbeitsbedingungen verbessern. Das Bundeskabinett in Berlin hat dafür am Mittwoch Änderungen des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) beschlossen. Kritiker bezweifeln, dass sich dadurch etwas ändert.

Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz regelt seit 2007 die Frage von Befristungen von Arbeitsverträgen für wissenschaftliches und künstlerisches Personal an staatlichen Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Es steht schon lange in der Kritik, weil sich in der Praxis viele junge Forscherinnen und Forscher von einem befristeten Arbeitsvertrag zum nächsten hangeln müssen. Wer sich in einer bestimmten Zeit keine der begehrten Professuren oder eine der anderen unbefristeten Stellen gesichert hat, muss anderswo unterkommen.

Wie das Bundesministerium für Bildung und Forschung mitteilte, sieht der Gesetzentwurf zur Änderung des WissZeitVG erstmalige Mindestvertragslaufzeiten für Erstverträge vor. Der erste Arbeitsvertrag vor der Promotion – also vor dem Dr.-Titel – muss in der Regel eine Laufzeit von mindestens drei und nach der Promotion in der sogenannten Post-Doc-Phase von mindestens zwei Jahren haben. Post-Docs sollen außerdem künftig für maximal vier Jahre befristet beschäftigt werden dürfen. Bisher waren es sechs Jahre. Weitere zwei Jahre sollen dann nur noch mit verbindlicher Zusage für eine anschließende unbefristete Stelle zulässig sein. Innerhalb dieser zwei Jahre müssen vorher gemeinsam definierte Forschungsziele erreicht werden.

Vorrang der Qualifizierungsbefristung vor der Drittmittelbefristung

Auch für studentische Beschäftigte soll sich etwas ändern: Sie dürfen künftig bis zu acht Jahre (bisher maximal sechs) befristet beschäftigt werden, damit sie sich bei Überschreitung der Regelstudienzeit zum Studienende nicht noch einen neuen Nebenjob suchen müssen. Und eine Mindestvertragslaufzeit von einem Jahr soll mehr Verlässlichkeit schaffen. Bisher liefen Verträge nach Ministeriumsangaben im Schnitt über ein knappes halbes Jahr und wurden immer wieder verlängert.

Der Gesetzentwurf sieht zudem den verbindlichen Vorrang der Qualifizierungsbefristung vor der Drittmittelbefristung vor. Wie das Ministerium mitteilte, würden dadurch die Geltung der Mindestvertragslaufzeiten sowie der familien- und sozialpolitischen Instrumente auch für Arbeitsverträge in drittmittelfinanzierten Forschungsprojekten deutlich ausgeweitet.

Auch das Gesetz über befristete Arbeitsverträge mit Ärzten in der Weiterbildung (ÄArbVtrG) soll nach den Plänen des Bundeskabinetts geändert werden, unter anderem werde der bisherige Vorrang des WissZeitVG aufgehoben. Befristete Verträge zum Zweck der Weiterbildung sollen künftig auch an Hochschulen und Forschungseinrichtungen nach dem ÄArbVtrG abgeschlossen werden.

Kritik: Regeln schaden Wissenschaftlern "in der Rush Hour des Lebens"

Ein Bündnis aus Gewerkschaften, Betriebsräten und Studierendenvertretern begrüßt zwar die geplanten Mindestvertragslaufzeiten, kritisiert aber die geplante Verkürzung der Befristungsdauer nach der Promotion von sechs auf vier Jahre.

Dies schade den Wissenschaftlern, "die in der Rush Hour des Lebens in höchstem Konkurrenzdruck von Befristung zu Befristung eilen", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung unter anderem von Deutschen Gewerkschaftsbund, Verdi und den Gesamtbetriebsräten der Fraunhofer- und Max-Planck-Gesellschaften, die der dpa vorliegt. Sie fordern eine unbefristete Beschäftigung nach der Promotion oder eine verbindliche Zusage zur Entfristung bei Erfüllung festgelegter Kriterien.

Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass die Beschäftigten im Wissenschaftsbetrieb bei Tarifverträgen größtenteils außen vor bleiben. Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz erlaubt zwar Abweichungen von seinen Regeln durch Tarifverträge. Die Möglichkeiten bleiben aber auch nach der Reform begrenzt. "Gewerkschaften und Arbeitgeber müssen Verbesserungen für die Beschäftigten aushandeln dürfen – so wie in anderen Branchen auch", fordern die Arbeitnehmervertreter. Sie sprechen von einer "Tarifsperre".

Das Gesetz muss nach dem Kabinettsbeschluss noch durch Bundestag und Bundesrat, was mehrere Wochen dauern dürfte. Zustimmungsbedürftig ist es im Bundesrat nicht. Termine für die Beratungen in Parlament und Länderkammer stehen noch nicht fest. In Kraft treten soll das Gesetz erst ein halbes Jahr nachdem es beschlossen und im Bundesgesetzblatt verkündet ist, damit die Hochschulen sich darauf einstellen können. Laufende Verträge bleiben außerdem unberührt von den Neuregelungen, heißt es.

Nach Daten des Bundesbildungsministeriums waren 2022 an staatlichen Hochschulen von insgesamt 227.000 hauptberuflich wissenschaftlich und künstlerisch Beschäftigten 178.000 befristet angestellt.

Redaktion beck-aktuell, ew, 27. März 2024 (ergänzt durch Material der dpa).