Kurzarbeit, Schulen, Gastronomie: Koalition plant neue Corona-Hilfen

Mit neuen milliardenschweren Hilfen für Arbeitnehmer, Gastronomiebetriebe, Unternehmen und Schulen will die große Koalition die massiven Folgen der Corona-Krise abmildern. Das Kurzarbeitergeld soll erhöht werden, um vor allem für Geringverdiener Einkommensverluste auszugleichen. Zugleich wird die Bezugsdauer des Arbeitslosengelds verlängert. Die in der Krise besonders belasteten Gastronomiebetriebe bekommen Steuererleichterungen.

Abfederung wirtschaftlicher und sozialer Folgen des Lockdown

Darauf verständigten sich am späten Abend des 22.04.2020 die Spitzen der schwarz-roten Koalition in Berlin. Die Bundesregierung wolle weitere Maßnahmen einleiten, um soziale und wirtschaftliche Härten abzufedern sowie den wirtschaftlichen Wiederaufbau zu unterstützen, heißt es in einem Beschlusspapier. Deutschland habe die Pandemie durch einschneidende Beschränkungen erfolgreich gebremst. Dies habe erhebliche wirtschaftliche und soziale Folgen. "Trotzdem können wir nur in kleinen Schritten die Beschränkungen wieder lockern, weil das Virus weiter breit in Deutschland vorhanden ist und wir die Erfolge nicht durch eine erneute exponentielle Infektionswelle gefährden dürfen", heißt es in dem Papier weiter. Deshalb müssten die notwendigen Entscheidungen so ausfallen, dass es auch in Zukunft finanzielle Möglichkeiten gebe.

Anhebung des Kurzarbeitergeldes

Wegen der schweren wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise sind Hunderttausende Beschäftigte in Kurzarbeit. Die Bundesagentur für Arbeit ersetzt einen Teil des weggefallenen Nettoeinkommens: Bei kinderlosen Beschäftigten 60% und bei Beschäftigten mit Kindern 67%. Zwar sehen einige Tarifverträge vor, dass das Kurzarbeitergeld auf fast 100% des Nettolohns aufgestockt wird. In vielen Branchen gilt das aber nicht. Deswegen forderte der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), es befristet auf 80 und 87% zu erhöhen. Ansonsten könnten viele Menschen ihre Mieten oder Ratenkredite fürs Auto oder das Eigenheim nicht mehr zahlen. Die Koalitionsspitzen wollen nun das Kurzarbeitergeld anheben, und zwar gestaffelt. Für diejenigen, die es für eine um mindestens 50% reduzierte Arbeitszeit beziehen, soll es ab dem vierten Monat des Bezugs auf 70% beziehungsweise 77% für Haushalte mit Kindern und ab dem siebten Monat des Bezuges auf 80% beziehungsweise 87% für Haushalte mit Kindern steigen – längstens bis Ende 2020. Außerdem werden für Arbeitnehmer in Kurzarbeit ab 01.05.2020 bis Ende 2020 bereits bestehende Hinzuverdienstmöglichkeiten erweitert.

Verlängerung des Arbeitslosengeldes

Das Wirtschaftsleben ist wegen der Beschränkungen in weiten Teilen zum Erliegen gekommen, bei vielen Unternehmen sind Aufträge und Umsätze eingebrochen. Das hat Folgen auch für den Arbeitsmarkt, in dem derzeit kaum in neue Jobs vermittelt wird. Deswegen soll nun die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I verlängert werden – und zwar um drei Monate und für diejenigen, deren Anspruch zwischen dem 01.05.2020 und 31.12.2020 enden würde. Wer arbeitslos wird, bekommt bisher zwölf Monate lang Arbeitslosengeld, das gilt für Arbeitnehmer bis 50 Jahre - vorausgesetzt, sie waren zuvor 24 Monate oder länger versicherungspflichtig. Für Arbeitslose ab 50 Jahren steigt die Bezugsdauer in mehreren Schritten auf bis zu 24 Monate an. Voraussetzung: Sie waren 48 Monate oder länger versicherungspflichtig. Die Höhe des Arbeitslosengelds liegt bei 60% des letzten Netto-Entgelts, bei Arbeitslosen mit Kindern sind es 67%. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer sagte mit Blick auf den bisherigen Widerstand der Unionsfraktion gegen eine Anhebung, dass der gefundene Kompromiss vertretbar sei – da gezielt besonders Betroffenen geholfen werde, es aber kein Gießkannenprinzip gebe.

Steuerhilfen für Gastronomie

Der Gastronomie bricht gerade ein Großteil der Einnahmen weg. Deswegen sollen Gastronomiebetriebe nun steuerlich entlastet werden. Die Mehrwertsteuer für Speisen wird laut Beschluss ab dem 01.07.2020 befristet bis zum 30.06.2021 auf den ermäßigten Steuersatz von 7% gesenkt. Bisher gilt für Speisen, die in einem Restaurant, einem Café oder einer Bar verzehrt werden, ein Mehrwertsteuersatz von 19%. Für Gerichte, die der Gast mitnimmt oder nach Hause bestellt, fallen in der Regel nur 7% an. Nun soll generell ein Satz von 7% gelten. CSU-Chef Markus Söder sagte, er hätte sich eine längere Dauer für die Senkung des Mehrwertsteuersatzes für die Gastronomie gewünscht. "Es war ein dickes Brett zu bohren und es gab einige harte Brocken", sagte er. Gleichwohl sei er nach dem Verlauf der Verhandlungen zufrieden. "Wir waren der festen Überzeugung von Anfang, dass die Mehrwertsteuer der richtige Weg ist, weil es ein Anreizsystem ist, weil es ein Durchstart-System ist." In Summe bedeute die Steuersenkung eine Entlastung von vier Milliarden Euro. Söder warnte zugleich davor, den festgelegten Zeitpunkt der Steuersenkung ab Juli 2020 mit einer Garantie gleichzusetzen, dass ab dann die Gastronomie wieder geöffnet werden könne. Entscheidend sei, wie sich die Infektionszahlen bis dahin entwickelten. Der Juli sei aber der Bereich, bei dem die Bundesländer in jedem Fall genug Zeit zur Vorbereitung hätten, "damit ein gastronomisches Arbeiten in breiter Form möglich ist". Für den Mai seien dagegen noch keine verlässlichen Aussagen möglich.

Mehr Geld für Schulen

Die allermeisten Schulen sind geschlossen, Anfang Mai 2020 soll der Unterricht schrittweise wieder starten. Der Bund ist bereit, Schulen und Schüler beim digitalen Unterricht zu Hause mit 500 Millionen Euro zu unterstützen, wie es im Papier heißt. Geplant ist ein Sofortausstattungsprogramm. Damit sollen die Schulen in die Lage versetzt werden, bedürftigen Schülern einen Zuschuss von 150 Euro für die Anschaffung entsprechender Geräte zu gewähren. Darüber hinaus solle die Ausstattung der Schulen gefördert werden, die für die Erstellung professioneller Online-Lehrangebote erforderlich ist.

Nachbesserungen bei Wirtschaftshilfen

Die Politik hat bereits milliardenschwere Hilfsprogramme für die Wirtschaft beschlossen, um Jobs und Firmen zu erhalten. Die Bundesregierung hatte bereits angekündigt, bei Bedarf nachzubessern. Geplant sind nun steuerliche Entlastungen für kleine und mittelständische Unternehmen – um Liquidität zu sichern. Konkret geht es um die sogenannten Verlustverrechnung. Absehbare Verluste für das Jahr 2020 sollen mit Steuer-Vorauszahlungen aus dem Jahr 2019 verrechnet werden dürfen.

Weitere Milliardenkosten

Die neuen Hilfen kosten Milliarden. Der SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans sprach von Kosten "oberhalb" von zehn Milliarden Euro. Allein die Mehrwertsteuersenkung in der Gastronomie koste für ein Jahr bis zu fünf Milliarden, die Hilfen für die Liquidität der Firmen rund vier Milliarden Euro. Die Bundesregierung hatte bereits massive Hilfspakete für Unternehmen, Selbstständige und Arbeitnehmer geschnürt. Dafür plant sie mit neuen Schulden in Höhe von 156 Milliarden Euro. Wegen der Hilfspakete steigt Deutschlands Staatsverschuldung deutlich an. Das Finanzministerium rechnet damit, dass die Schuldenquote – also das Verhältnis der Schulden zur gesamten Wirtschaftsleistung – Ende 2020 bei 75,25% liegen wird, wie aus dem Stabilitätsprogramm 2020 hervorgeht. Das Ende der Fahnenstange aber dürfte noch nicht erreicht sein. Denn neben den akuten Krisenhilfen sind auch Maßnahmen geplant, um die Konjunktur wieder anzukurbeln. Auch das dürfte Milliarden kosten. Die Steuereinnahmen aber dürften zurückgehen, weil Deutschland in eine Rezession rutscht. Im Mai 2020 ist die neue Steuerschätzung.

Redaktion beck-aktuell, Andreas Hoenig, Theresa Münch und Marco Hadem, 23. April 2020 (dpa).