Künstliche Intelligenz im Praxistest der bayerischen Justiz

Am Landgericht Ingolstadt wird seit dem 29.06.2023 eine neue Software für Künstliche Intelligenz (KI) getestet. "Der Großteil der Gerichtspost kommt in unseren Zivilgerichten längst elektronisch an", so Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU). Allerdings müssten die Serviceeinheiten wichtige Verfahrensdaten per Hand übertragen. Mit der neuen KI-Software sollen die Gerichte in Zeiten von Massenverfahren entlastet und unnötige Mehrarbeit verhindert werden.

SMART/IMJ kann Daten erkennen und automatisiert auslesen

Erprobt wird nach Angaben des bayerischen Justizministeriums das Texterkennungssystem ″SMART/Input Modules Justiz″, das Daten automatisiert erkennt und ausliest. Das System werde auch in Rheinland-Pfalz getestet. Eine gemeinsam von beiden Ländern durchgeführte Machbarkeitsstudie habe bereits nachgewiesen, dass die Software in der Lage ist, wesentliche Daten in ausreichender Qualität zu erkennen. Nach Abschluss des KI-Projekts soll entschieden werden, ob die Software dauerhaft eingesetzt wird. "Künstliche Intelligenz kann allerdings immer nur ein Hilfsmittel sein. Mir ist wichtig, dass am Ende immer ein Mensch das Urteil fällt", betont Eisenreich.

Regeleinführung der E-Akte an LGs und OLGs für Zivilsachen abgeschlossen

Der elektronische Rechtsverkehr sei mittlerweile bei allen bayerischen Gerichten eingeführt, so das Ministerium weiter. Zudem hätten seit Juli 2021 alle 99 ordentlichen Gerichte in Bayern Zugang zu einer Videokonferenzanlage. Daneben setze die Justiz auf ein Videokonferenz-Tool, das bayernweit freigegeben wurde. Allein im Jahr 2022 habe es mehr als 12.000 Videoverhandlungen und -anhörungen im Freistaat gegeben. Anlässlich der bis  2026 deutschlandweit einzuführenden E-Akte müssten in Bayern 127 Standorte mit etwa 14.000 Arbeitsplätzen mit der E-Akte ausgestattet werden. Die Regeleinführung der E-Akte an den Landgerichten in Zivilsachen erster Instanz und an den Oberlandesgerichten in Zivilsachen sei abgeschlossen. An den Amtsgerichten laufe die Regeleinführung. Bis heute seien bereits über 225.000 Verfahren rein elektronisch geführt worden.

Digitaloffensive der bayerischen Justiz

Des Weiteren habe auf Initiative des Justizministers die bayerische Justiz 2022 gemeinsam mit der UnternehmerTUM das "Legal Tech Colab" ins Leben gerufen – einen Inkubator und Accelerator für Start-ups im Legal-Tech-Bereich. Im März 2018 sei die "Denkfabrik Legal Tech" gegründet worden, die etwa 250 Juristen und IT-Experten aus Justiz, Wirtschaft, Anwaltschaft und Forschung vernetze. Ziel sei es, die Kenntnisse über Einsatzmöglichkeiten moderner Legal-IT-Tools zu vertiefen. Im Ministerium sei zudem für strategische Aufgaben im Oktober 2019 die "Stabsstelle Legal Tech" eingerichtet worden. Außerdem sollen  Referendarinnen und Referendare ab Juli 2023 in Bayern das neue Berufsfeld "IT-Recht und Legal Tech" wählen können. Schließlich entwickele die bayerische Justiz gemeinsam mit Spitzenforschern aus den Niederlanden den "Dark Web Monitor" – eine Art Suchmaschine für das Darknet. Mit dem Analyse-Tool GraphSense könnten die Ermittler zudem besser der Spur des Geldes folgen, wenn etwa für Kinderpornografie mit Bitcoins bezahlt werde.

Redaktion beck-aktuell, 30. Juni 2023.