Bringt 2025 Chancen auf Veränderung? Weg mit dem Kündigungsschutz in der heutigen Form!
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Das Kündigungsschutzrecht aus dem Jahr 1951 nutzt der Wirtschaft im Jahr 2025 wenig und hilft unter den Angestellten meist den Falschen, findet Annette Knoth und fordert zeitgemäße Vorgaben.

Das Jahr 2025 und die bevorstehende Bundestagswahlen bieten die Chance, alte Gewohnheiten im deutschen Arbeitsrecht zu überdenken und vielleicht sogar seit langem überholte Zöpfe abzuschneiden, um unsere Rechtsordnung und unsere Unternehmen wieder international wettbewerbsfähiger zu machen. Mit der Abschaffung des Kündigungsschutzes in der heutigen Form könnte man einen Anfang machen.

Ja, das ist eine scheinbar provokante Forderung. Doch das seit 1951 fast unveränderte Kündigungsschutzgesetz wird in der Arbeitsrealität des Jahres 2025 weder den Arbeitnehmer- noch den Arbeitgeberinteressen gerecht, ist von der Rechtsprechung über Jahrzehnte nahezu unverändert zum Nachteil der Unternehmen ausgelegt worden, setzt unzeitgemäße und damit falsche Schwerpunkte und schützt die Falschen. Selbstverständlich kann und soll es nicht um die Abschaffung von Arbeitnehmerschutz gehen. Aber: Vor dem Hintergrund der globalen Arbeitswelt und der aktuellen Situation deutscher Unternehmen benötigen wir eine interessen- und zeitgerechte Reform. Das wird nicht einfach, auch und gerade, weil das Kündigungsschutzgesetz eine der scheinbar uneinnehmbaren Bastionen des deutschen Arbeitsrechts ist.

Rechtsprechung legt KSchG einseitig zugunsten der Angestellten aus

Fakt ist: Das KSchG in seiner heutigen Form, welche arbeitgeberseitige Kündigungen in Betrieben mit regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nur bei personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Kündigungsgründen ermöglicht ("sozial gerechtfertigt"), ist für Außenstehende nicht verständlich und von der Rechtsprechung bislang sehr weitreichend ausgelegt worden. Dies betrifft nicht nur die von der Rechtsprechung sehr einseitig festgelegte Beweislast, sondern vor allen Dingen auch die Definition der Voraussetzungen der vorgenannten Kündigungsgründe. Nichts davon ist durch den Gesetzeswortlaut zwingend vorgegeben. Im Gesetz ausdrücklich aufgeführt, aber nicht minder überholt, fragwürdig und damit dringend reformbedürftig, sind die Kriterien der Sozialauswahl. Schließlich ist Anknüpfungspunkt für die Anwendbarkeit des KSchG und die Durchführung der Sozialauswahl (unabhängig von möglichen Versetzungsklauseln in den Arbeitsverträgen) immer noch der Betrieb; auch das ist Laien und so manchen Juristinnen und Juristen unerklärlich, gerade in Zeiten dezentraler Standorte und Home-Office. Die Höhe des Einkommens oder auch persönliches Verhalten und Leistung spielen keine Rolle, einseitige Lösungsmöglichkeiten gegen Abfindungszahlung gibt es nicht.

Auch andere Faktoren wie Qualifikation, Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, Förderung der Flexibilität oder auch verpflichtende Weiterbildungsmaßnahmen sind im heutigen KSchG (oder besser: so wie es von der Rechtsprechung ausgelegt wird) irrelevant. Das muss sich auch angesichts der aktuellen geopolitischen und gesamtwirtschaftlichen Herausforderungen dringend ändern. Der Fokus muss weg vom Bestandschutz des Jahres 1951 hin zu angemessenem Arbeitnehmerschutz, Flexibilisierung und Weiterbildung verschoben werden.

Kündigung gegen Abfindung erleichtern

Das Mantra "Das Kündigungsschutzgesetz ist ein Bestandsschutz- und kein Abfindungsgesetz" ist auch heute noch das Leitmotiv der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung. Damit hat Deutschland ein sehr fragwürdiges und ausländischen Investoren kaum zu vermittelndes Alleinstellungsmerkmal geschaffen, denn alle anderen Industrienationen sehen auch bei unwirksamen Kündigungen eine Beendigungsmöglichkeit vor. Hierzu zählen selbst Länder wie Frankreich oder Italien, in denen dem Arbeitnehmerschutz ebenfalls traditionell und gesellschaftlich ein hoher Stellenwert zukommt.

Auch in Deutschland braucht es Möglichkeiten für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, Angestellten gegen Zahlung einer Abfindung zu kündigen. Die Regelung des § 1a KSchG sieht zwar einen Abfindungsanspruch bei betriebsbedingter Kündigung vor, spielt in der Praxis aber kaum eine Rolle. Die Höhe und Staffelung sollte entweder gesetzlich oder ergänzend durch die Tarifvertragsparteien festgelegt werden und insbesondere für Arbeitsverhältnisse ab einer bestimmten Gehaltshöhe gelten. Hier muss der Gesetzgeber aktiv werden und die Diskussion mit den Sozialverbänden starten. Nur so sind Kündigungen für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber berechenbar und nur wenn diese Möglichkeit geschaffen wird, werden Einstellungshürden genommen und deutsches Kündigungsschutzrecht endlich international vermittelbar.

Beweislast für Unternehmen oft unüberwindbar

Bei dieser Gelegenheit könnte auch ein Zustand korrigiert werden, der seit langem Anstoß erregt: Ist es wirklich gerecht, dass ein Arbeitnehmer bzw. eine Arbeitnehmerin im Falle einer wirksamen, aber vollkommen unverschuldeten Kündigung gar keine Abfindung erhält, während andere, die durchaus Anlass für eine Kündigung gegeben haben, oftmals mit hohen Abfindungen "belohnt" werden? Der Rückkehranspruch nach teils monatelanger Abwesenheit ist jedenfalls in der Praxis für betroffene Beschäftigte in den allermeisten Fällen schlicht realitätsfremd.

Für das Vorliegen der Kündigungsgründe trägt nach der Rechtsprechung ausschließlich der Arbeitgeber die Beweislast, was der Gesetzgeber dringend ändern sollte. Im Falle einer personen- oder krankheitsbedingten Kündigung führt die heutige Beweislastregelung z.B. dazu, dass ein Unternehmen nachweisen muss, dass eine Person auf absehbare Zeit nicht mehr arbeitsfähig sein wird – in der Praxis kaum machbar, aber auch für die betroffenen Angestellten oftmals persönlich sehr belastend, werden doch sehr intime Details öffentlich diskutiert. Zudem treibt diese Beweislast Unternehmen zu immer neuen und zum Teil fragwürdigen Ideen, wie denn der geforderte Nachweis erbracht werden kann. Klare Regeln, welche Abwesenheitszeiten zu einer Kündigung berechtigen, und welche Unterlagen Beschäftigte vorlegen müssen, sowie ggf. verpflichtende Wiedereingliederungsmaßnahmen (mit klaren Konsequenzen, wenn diese scheitern) könnten hier interessengerechte Klarheit schaffen.

Bisherige Sozialauswahl denkt in alten Familienstrukturen

Schließlich der am meisten reformbedürftige Bereich: die Begründung einer betriebsbedingten Kündigung. Diese ist für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber faktisch nicht zu begründen und der Zusatz im Gesetz "die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entgegenstehen" sollte gestrichen werden – jedenfalls solange die Rechtsprechung an der vollkommen überholten Unterscheidung zwischen (in der Praxis nie zu begründenden) außerbetrieblichen und innerbetrieblichen Gründen festhält. Es ist, gerade in unsicheren wirtschaftlichen Zeiten, in denen viele Unternehmen ums wirtschaftliche Überleben kämpfen, unerlässlich, dass betriebsbedingte Kündigungen auch aus wirtschaftlichen Erwägungen möglich sind. Ebenfalls ist es zwingend, dass die vollkommen überzogenen Darlegungserfordernisse, die gerade erstinstanzliche Gerichte aufstellen und die damit den Grundsatz "das Arbeitsgericht darf die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit einer Kündigung nicht überprüfen" vollständig aushebeln, vom Gesetzgeber klargestellt werden. Unternehmerinteressen, in Art. 14 GG manifestiert, werden durch diese praktisch nicht zu überwindenden Hürden der Rechtsprechung, den Wegfall des Arbeitsplatzes darzulegen, nicht im Ansatz gewahrt.

Eine gegebenenfalls bei einer betriebsbedingten Kündigung erforderliche Sozialauswahl ist zudem immer noch durch Kriterien geprägt, die im Jahr 2025 fragwürdig erscheinen. So ist es unzeitgemäß, dass der Status "verheiratet" eine traditionelle Familien- und Versorgersituation mehr schützt als eine langjährige Lebenspartnerschaft, gerade wenn beide Partner erwerbstätig sind. Damit werden alleinerziehende Personen benachteiligt, die eine größere Versorgungslast tragen. Die reine Versorgungsehe stellt heute – anders als 1951 – nicht mehr die überwiegende Lebenswirklichkeit dar. Und ist die Situation für einen jungen Familienvater trotz kurzer Betriebszugehörigkeit nicht deutlich schwieriger als die eines älteren Beschäftigten? Und wie ordnen wir moderne Lebens- und Daseinsformen in die gesetzlich verankerte Sozialauswahl ein? Vielleicht noch wichtiger erscheint es, dass Leistung und ein ausgewogenes Team wichtige Elemente in der Sozialauswahl werden müssen.

Wenn dies alles durch sinnvolle Weiterbildungsmaßnahmen flankiert wird, um eine schnelle Anschlussbeschäftigung zu ermöglichen, ist eine derartige Reform nicht das Ende, sondern die Modernisierung des Kündigungsschutzes, entlastet Unternehmen und führt im Ergebnis zu mehr Beschäftigung.

Rechtsanwältin Annette Knoth ist Partnerin im Frankfurter Büro der Kanzlei Gowling WLG und berät Unternehmen seit über 25 Jahren umfassend in allen Belangen des Arbeitsrechts.

Gastkommentar von Annette Knoth, 21. Februar 2025.

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