Kritik an AfD-Abgeordneten wegen Störern im Bundestag

Das aufsehenerregende Verhalten von Besuchern im Bundestag am Mittwoch dürfte für einige Abgeordnete der AfD ein Nachspiel haben. Der AfD-Abgeordnete Udo Hemmelgarn habe bestätigt, dass einer der Gäste, über dessen Verhalten es Beschwerden gab, am 18.11.2020 über ihn angemeldet worden sei, bestätigte Fraktionssprecher Marcus Schmidt. Einem Sicherheitsbericht zufolge sollen auch die AfD-Parlamentarier Petr Bystron und Hansjörg Müller Störer eingeladen haben.

Personen mit Gästeausweisen stören Bundestagsbetrieb

Während der Bundestagsdebatte waren am 18.11.2020 auf den Fluren des Reichstagsgebäudes Abgeordnete von Besuchern bedrängt, gefilmt und beleidigt worden. Dies passierte unter anderem Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und dem FDP-Innenpolitiker Konstantin Kuhle. Im Fall von Altmaier filmten die Störer die Aktion und stellten das Video ins Internet. Altmaier will nach dpa-Informationen keine Strafanzeige stellen. Auch Abgeordnete der AfD waren von den Besuchern heimgesucht worden. In das Büro von Fraktionschefin Alice Weidel drangen nach Angaben ihres Sprechers Daniel Tapp mehrere Personen ein, die sich nicht vorgestellt hätten. Die ungebetenen Gäste hätten aus dem Fenster filmen wollen, er habe sie dann herausgebeten, sagte Tapp. Auf einem Video ist zu sehen, wie andere Besucher ohne Anmeldung in das Büro des parlamentarischen Geschäftsführers Bernd Baumann stürmen, wo sie ein Mitarbeiter mit dem Satz "Habt Ihr 'ne Meise?" empfängt. 

Sanktionen gegen beteiligte Abgeordnete gefordert

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) fordert Konsequenzen für die daran beteiligten Abgeordneten. "Ich gehe davon aus, dass dieser Fall nicht nur im Ältestenrat behandelt wird", sagte der FDP-Politiker der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. "Es müssen auch empfindliche Sanktionen für die beteiligten Abgeordneten erwogen werden." Es sei zum wiederholten Mal passiert, dass Abgeordnete die "Türöffner für politische Agitatoren" geworden seien. "In diesem Falle ist die Beeinträchtigung des Parlamentsbetriebes jedoch besonders gefährlich. Denn durch die direkte Ansprache der Abgeordneten im Zusammenhang mit der Abstimmung über das Infektionsschutzgesetz kann man von einer Nötigung ausgehen." Es komme eine Straftat nach § 106 StGB in Betracht, zu der Abgeordnete auch Anstiftung oder Beihilfe leisten können. "Dies wird ernsthaft zu prüfen sein", sagte Kubicki. § 106 StGB behandelt die Nötigung des Bundespräsidenten und von Mitgliedern eines Verfassungsorgans. Er sieht als Sanktion Freiheitsstrafen von drei Monaten bis zu fünf Jahren und in besonders schweren Fällen von bis zu zehn Jahren vor. "Abgeordnete dürfen nicht in ihrer Entscheidung bedrängt werden", sagte auch die Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) am 19.11.2020 im Deutschlandfunk. Das sei mindestens eine Ordnungswidrigkeit, wenn nicht sogar eine Straftat.

Bundestagsplenum wird Thematik behandeln

Mittlerweile ist klar, dass das Bedrängen der Abgeordneten auch im Plenum aufgearbeitet werden wird. Union und SPD haben dazu eine Aktuelle Stunde mit dem Titel "Bedrängung von Abgeordneten verurteilen – Die parlamentarische Demokratie schützen" beantragt. Sie soll am Vormittag des 20.11.2020 auf die Tagesordnung gesetzt werden. Die Störer waren nach Behördenerkenntnissen von den drei AfD-Bundestagsabgeordneten Hemmelgarn, Bystron und Müller eingeladen worden. Insgesamt seien auf ihre Einladung vier Besucher als Gäste in die Bundestagsgebäude gelangt, von denen einige auch in Büroräume eindrangen. Da alle Bundestags-Besucher an diesem Tag mit Namen, Vornamen und Geburtsdatum angemeldet werden mussten, sind sie klar den sie einladenden Abgeordneten zuzuordnen.

Schäuble zum Handeln aufgefordert

Auch in einer fraktionsübergreifenden Initiative haben Abgeordnete des Bundestags eine lückenlose und zügige Aufklärung der Störaktionen am 18.11.2020 im Reichstagsgebäude gefordert. "Es wäre nicht das erste Mal, dass im Reichstagsgebäude frei gewählte Abgeordnete eingeschüchtert und beeinflusst werden sollen. Die Lehren aus den dunkelsten Stunden unseres Landes müssen deshalb sein: Wehret den Anfängen", heißt es in einem Schreiben an Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU), das der dpa vorliegt. Die Abgeordneten bitten Schäuble darin, für eine lückenlose und zügige Aufklärung der Vorfälle zu sorgen und Maßnahmen zu ergreifen, die künftig solche Situationen unmöglich machen. "Unsere Demokratie ist stark – wir haben aus der Vergangenheit gelernt. Deshalb darf nicht nur der kleinste Funke Zweifel aufkommen, dass der deutsche Rechtsstaat sich nicht gegen die durchzusetzen vermag, die ihn zersetzen wollen."

Redaktion beck-aktuell, 19. November 2020 (dpa).