Kritik am Gesetzentwurf zum Umbau von Tierhaltungsanlagen

Die Bundesregierung möchte mehr Tierwohl durch Stallumbau gewährleisten und hat dazu einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht, der eine baurechtliche Privilegierung für Unternehmen vorsieht, die ihre Stallanlagen umbauen wollen. Die gestern zu einer Anhörung des geplanten Tierhaltungskennzeichnungsgesetzes geladenen Sachverständigen übten aus verschiedenen Gründen viel Kritik.

Bei Umbauten drei Haltungsstufen zu beachten

Der Ende März gefundene Kompromiss der Regierungsparteien für das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz sieht laut einer Mitteilung der Bundespressestelle eine baurechtliche Privilegierung für Unternehmen vor, die ihre Stallanlagen umbauen wollen, um ihre vorhandene Tierhaltung auf eine höhere Stufe umzustellen. Gültig wären die Umbauten laut Gesetzentwurf für die im Tierhaltungskennzeichnungsgesetz genannten Haltungsstufen drei, vier und fünf - also den Frischluftstall, Auslauf/Weide oder Bio - sowie für Ställe, die nach 2013 gewerblich errichtet wurden und keine landwirtschaftliche Privilegierung mehr hatten. Tierhalter müssten ihre Bestände nicht verringern, wenn sie in höhere Tierhaltungsstufen wechseln möchten.

Hinweis auf höhere Immissionen und Ausweitung des Anwendungsbereichs

Kritik am Gesetzentwurf kam unter anderem vom geladenen Rechtsanwalt Helmar Hentschke, der forderte, dass der Anwendungsbereich ausgeweitet werden müsse: Neben Bestandbauten sollten auch Anlagen einbezogen werden, die noch nicht errichtet worden seien, für die es aber bereits Genehmigungen gebe. Zudem sei es sinnvoll, den Ersatzneubau in den Gesetzentwurf aufzunehmen, sagte Hentschke. Der Anwalt gab auch zu bedenken, dass es bei einer höheren Auslaufhaltung auch zu höheren Immissionen kommen werde und dass die Gerichte selbst die Verbesserung der Immissionssituation bei den gesetzlich geschützten Biotopen in Bezug auf eine Belastung zum Teil als nicht genehmigungsfähig einstuften.

Belastungsbegriff nicht konkret genug

Auch Martin Kamp von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen ging auf mögliche Belastungen im Außenbereich ein, die durch die Tierhaltungsformen Frischluftstall, Auslauf/Weide und Bio entstehen könnten. Er monierte zudem, dass der Begriff "Belastung" im Gesetzentwurf zu unkonkret sei, und damit zu einer Verunsicherung der Genehmigungsbehörde führen dürfte. Zwar seien die Zulässigkeit von Belastungen, seien es naturschutzfachliche wie etwa Bodenversiegelung oder immissionsschutzfachliche wie Gerüche, durch die entsprechenden Fachgesetze abgedeckt. Wenn es jedoch um den Vergleich zur Alternative "Umbau" statt eines Neubaus gehe, sei nicht ersichtlich, warum ein höherer Anspruch an ein Vorhaben aus Anlass für mehr Tierwohl gestellt werden solle als fachgesetzlich erforderlich.

Wünsche der Kommunen

Bernd Düsterdiek vom Deutschen Städte- und Gemeindebund sah in dem vorliegenden Entwurf "noch offene Fragestellungen", einerseits mit Blick auf eine notwendige Beibehaltung der kommunalen Steuerungsfähigkeit und andererseits hinsichtlich des Ziels, eine weitere Bodenversiegelung möglichst zu vermeiden. Markus Altenhöner, unter anderem Kämmerer im Kreis Herford verwies auf die Planungshoheit der Kommunen und stellte fest, dass das Gesetz nicht nur zu mehr Tierschutz führe, sondern auch die Tierbestände reduziere. Nach Ansicht von Nadine Schartz vom Deutschen Landkreistag sollten baurechtliche Änderungen erleichtert werden, um mehr Tierwohl zu erzeugen. Da nach dem geltenden Baurecht Umbauten und Erweiterungen von Ställen "nicht ohne weiteres" möglich seien, sollten die Rahmenbedingungen erleichtert und angepasst werden. Sie wies aber darauf hin, dass bei älteren Ställen ein Umbau nicht immer möglich oder wirtschaftlich sei. Deshalb sollten auch Ersatzbauten in den Entwurf aufgenommen werden. Jedoch müssten im Hinblick auf den Immissionsschutz gegebenenfalls Änderungen oder Zusatzregelungen der TA-Luft vorgenommen werden.

Landwirte fordern "Gesamtkonzept" für Umbau der Tierhaltung

Für Jens van Bebber, Schweinehalter aus Niedersachen, und Jochen Dettmer, Vorstandssprecher von Neuland und Landwirt aus Sachsen-Anhalt, gehen das vorgelegte Tierhaltungskennzeichnungsgesetz und die hier angedachten baurechtlichen Anpassungen nicht weit genug. Beide forderten bei der Anhörung ein "Gesamtkonzept" zum Umbau der Tierhaltung. Van Bebber warnte vor "starren Definitionen von Stallvarianten" ohne Einbeziehung von Entwicklungsmöglichkeiten. Der heutige konventionelle Maststall sei das Resultat einer über 50-jährigen fortwährenden Entwicklung. Die heutigen Stallkonzepte einer alternativen Haltung hingegen bestünden in nur einem sehr geringen Umfang und seien bislang noch nicht Gegenstand einer breit angelegten intensiven Forschungs- und Entwicklungsarbeit. Diese sei aber notwendig, um eine praxistaugliche Umstellung der Tierhaltung zu erreichen. Jochen Dettmer bemängelte, dass die Bundesregierung bislang lediglich eine Milliarde Euro für den Umbau der Tierhaltung vorsehe, während die Borchert-Kommission bereits vor Jahren vorgerechnet habe, dass der Umbau jährlich bis zu fünf Milliarden Euro kosten könnte. Zudem zeige die Entwurfsfassung des Bundesprogrammes Umbau der Tierhaltung noch erhebliche Defizite auf, die zu einer Minderung der Motivation zum Umbau der Tierhaltung führen werde.

Bauern schlagen weitere Haltungsstufe vor

Für Petra Nüssle vom Deutschen Bauernverband wiederum ist der Gesetzentwurf "Sand im Getriebe". Weder sei eine "tragfähige Perspektive für Tierhalter" erkennbar, noch seien die "Zielkonflikte zwischen Tierwohl und Immissionsschutz und Umweltrecht ausgeräumt". Vor diesem Hintergrund würden die Landwirte eher verunsichert, als dazu ermuntert, Stallumbauten in Angriff zu nehmen. Nüssle verwies auf die steigenden Importzahlen von Schweinefleisch, das vor allem aus Spanien komme. In etlichen EU-Ländern seien die Standards zur Fleischproduktion sehr viel geringer als hierzulande, deshalb solle die Haltungsstufe "Stall und Platz" in den Entwurf aufgenommen werden.

Provieh lehnt Frischluftstall ab

Nach Auffassung von Anne Hamester von Provieh wiederum würden mit dem aktuellen Gesetzentwurf Haltungsbedingungen gefördert, die das Leiden von Schweinen statt ihr Wohlergehen fördern. Die Ausgestaltung durch die Grundlage des Tierhaltungskennzeichnungsgesetzes und die Förderung der Haltungsform "Frischluftstall" müssten daher ausdrücklich abgelehnt werden. Denn die Haltungsstufe "Frischluftstall" beinhalte Ställe ohne Zugang nach draußen, somit ohne frische Luft, ohne getrennte Funktionsbereiche zum Fressen, Koten, Spielen und Liegen, dafür aber mit gesundheitsschädlichen Vollspaltenböden, die im Nachbarland Österreich als tierquälerisch verboten seien. Solche Haltungsbedingungen würden mit dem aktuellen Gesetzentwurf für mindestens 20 Jahre zementiert werden und seien daher abzulehnen.

Redaktion beck-aktuell, Gitta Kharraz, 9. Mai 2023.