Kremlgegner Nawalny nach Rückkehr in Russland zu Haft verurteilt

Ein russisches Gericht hat den Kremlgegner Alexej Nawalny nach seiner Rückkehr aus Deutschland in einem Eilverfahren zu 30 Tagen Haft verurteilt. Der 44-Jährige habe gegen Meldeauflagen nach einem früheren Strafprozess verstoßen, hieß es. Die Haft gelte bis zum 15.02.2021, teilte Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch am 18.01.2021 mit. Der Oppositionsführer kritisierte das Verfahren als politische Inszenierung mit dem Ziel, ihn zum Schweigen zu bringen.

Eilprozess in Polizeistation

"Das lässt sich nicht einmal als eine Parodie auf Gesetzmäßigkeit bezeichnen", sagte Jarmysch. Nawalnys Anwalt Wadim Kobsew kündigte an, das Urteil anzufechten. Die russische Justiz machte dem nach Moskau zurückgekehrten Nawalny direkt in einer Polizeistation einen Eilprozess. Nach seiner Rückkehr von Berlin nach Moskau hatte von dem 44-Jährigen seit 17.01.2021 zunächst jede Spur gefehlt. Am 18.01.2021 fand er sich plötzlich vor einem Gericht in einem Polizeigebäude wieder.

Nawalny: Neue Stufe der "Gesetzlosigkeit" erreicht 

Juristen kritisierten das als beispiellos – selbst für russische Verhältnisse. In einem Video bei Twitter beklagte Nawalny, dass die Justiz in Russland eine neue Stufe der "Gesetzlosigkeit" erreicht habe. "Ich habe oft gesehen, wie der Rechtsstaat ins Lächerliche gezogen wird, aber dieser Opi in seinem Bunker fürchtet sich inzwischen so sehr (...), dass nun einfach der Strafprozesskodex zerrissen und auf die Müllhalde geworfen wird", sagte Nawalny in dem improvisierten Gerichtszimmer. Mit "Opi in seinem Bunker" meint Nawalny den russischen Präsidenten Wladimir Putin, der wegen der Corona-Pandemie meistens in seiner Moskauer Vorstadtresidenz per Video-Schalte arbeitet. "Es ist unmöglich, was hier passiert", sagte Nawalny.

Nawalny für Anwälte und Mitarbeiter zunächst verschwunden

Nawalnys Anwälte hatten offenbar ein Schreiben über den Beginn einer Gerichtsverhandlung im Polizeigebäude erhalten, die dann prompt eröffnet wurde, ohne dass jemand sich hätte vorbereiten können. Zuvor hatten Nawalnys Anwälte und Mitarbeiter erklärt, dass von dem Oppositionellen jede Spur fehle.

Verstoß gegen Meldeauflagen während Aufenthalts in Deutschland

Nawalny hatte am 17.01.2021 nach fünf Monaten Deutschland verlassen, wo er sich von einem Anschlag mit dem Nervengift Nowitschok erholte. Nach seiner Ankunft in Moskau wurde er umgehend festgenommen. Die Justiz hatte ihn zur Fahndung ausgeschrieben. Der Kremlkritiker soll während seines Aufenthalts in Deutschland gegen Bewährungsauflagen in einem früheren Strafverfahren verstoßen haben. Konkret warf der Strafvollzug ihm vor, Meldeauflagen nicht eingehalten zu haben.

Merkel fordert umgehende Freilassung Nawalnys

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) forderte die umgehende Freilassung Nawalnys. Sie hatte ihn auch in Berlin in der Charité während seiner Behandlung besucht. Mehrere Staaten und die Nato verurteilten das Vorgehen gegen Nawalny.

DAV: Zugang zum Recht als universelles Menschenrecht verletzt

Auch der Deutsch Anwaltverein (DAV) verurteilte die Behandlung Nawalnys durch die russischen Ermitt­lungs­be­hörden. "Der Zugang zum Recht ist nicht nur ein Grundpfeiler unseres Rechts­staats", betont Rechts­an­wältin und Notarin Edith Kindermann, Präsidentin des DAV. "Er ist auch ein univer­selles Menschenrecht im Hinblick auf die Garantie des fairen Verfahrens in der Europäischen Menschen­rechts­kon­vention." Unabhängig davon sei die Verwei­gerung des Zugangs seiner Rechts­anwälte zu ihm ein schwerer Verstoß gegen das Prinzip des fairen Verfahrens. "Jeder Mensch, der sich einem strafrecht­lichen Vorwurf ausgesetzt sieht, muss die Möglichkeit einer unabhängigen Rechts­be­ratung und Rechts­vertretung haben", mahnte Kindermann.

Redaktion beck-aktuell, 18. Januar 2021 (dpa).