Kontenpfändung des Finanzamts in der Corona-Krise im Einzelfall unbillig

Mit Beschluss vom 29.05.2020 hat das Finanzgericht Düsseldorf im Weg des vorläufigen Rechtsschutzes entschieden, dass im Hinblick auf das BMF-Schreiben vom 19.03.2020 zum Umgang mit Vollstreckungsmaßnahmen in der Corona-Zeit auch zuvor durchgeführte Kontenpfändungen bis zum Jahresende 2020 aufzuheben sein können. Die Finanzämter müssten diese Verwaltungsanweisung bei ihrer Ermessensentscheidung berücksichtigen, so das Gericht.

Steuerschuldner beriefen sich auf "pandemiebedingten" Vollstreckungsschutz

Die Antragsteller des Verfahrens erzielen vorwiegend Vermietungseinkünfte. Wegen Steuerrückständen pfändete das Finanzamt ihre Bankkonten. Unter Bezugnahme auf das BMF-Schreiben vom 19.03.2020, das Steuerpflichtigen, die von den Folgen der Corona-Pandemie betroffen sind, bestimmte steuerliche Erleichterungen - wie etwa das Absehen von Vollstreckungsmaßnahmen - gewährt, begehrten die Antragsteller Vollstreckungsschutz. Sie machten geltend, dass zahlreiche ihrer Mieter im Hinblick auf die Regelungen im Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht ihre Mietzahlungen seit April 2020 eingestellt hätten.

Finanzamt hielt Pfändungen trotzdem aufrecht

Das Finanzamt erkannte keine wirtschaftliche Beeinträchtigung der Antragsteller durch die Corona-Krise an und hielt die Pfändungen aufrecht. Die offenen Steuerforderungen seien vor Eintritt der Krise fällig geworden. Bei Erlass der Pfändungs- und Einziehungsverfügungen am 19.03.2020 sei die Vollstreckungsmaßnahme rechtmäßig gewesen. Auf das BMF-Schreiben vom gleichen Tag könnten sich die Antragsteller nicht berufen, denn eine Aufhebung bereits erfolgter Vollstreckungsmaßnahmen sei darin nicht vorgesehen. Die Antragsteller ersuchten um Eilrechtsschutz.

FG: Vollstreckung gegen die Antragsteller ist derzeit unbillig

Das Finanzgericht hat dem Eilantrag unter Zulassung der Revision stattgegeben. Die Vollstreckung in die Bankguthaben der Antragsteller sei vorläufig bis zum Jahresende 2020 einzustellen, weil die Maßnahme für die Betroffenen derzeit unbillig sei. Die Antragsteller seien doppelt in ihrer Liquidität eingeschränkt. Zum einen würden die durch die Corona-Krise bedingten Mietausfälle zu Liquiditätseinbußen führen.

Auch Aufhebung bereits erfolgter Vollstreckungsmaßnahmen nach BMF-Schreiben angebracht

Zum anderen würden die Kontenpfändungen des Finanzamts den Antragstellern weitere Liquidität entziehen. Das der Finanzverwaltung für die Gewährung von Vollstreckungsbeschränkungen eingeräumte Ermessen sei durch das BMF-Schreiben vom 19.03.2020 dahingehend eingeschränkt worden, dass von Vollstreckungsmaßnahmen abgesehen werden soll. Auch die Aufhebung bereits erfolgter Vollstreckungsmaßnahmen könne bei dieser Sachlage angebracht sein.

FG Düsseldorf, Beschluss vom 29.05.2020 - 9 V 754/20

Redaktion beck-aktuell, 3. Juli 2020.