Kollegialgerichts-Richtlinie auch im Amtshaftungsprozess

Beamte sind bei Fehlentscheidungen vor Amtshaftungsansprüchen gefeit, wenn ein Kollegialgericht ihre Ansichten teilt. Das hat der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs mit Urteil vom 09.07.2020 in Fortführung seiner Rechtsprechung zur Kollegialgerichts-Richtlinie entschieden.

Gewerbeerlaubnis abgelehnt

Eine Unternehmerin verlangte vom Land Berlin Schadenersatz, weil ihr die Erlaubnis zum Betrieb zweier Spielhallen versagt worden war. Sie fand, ihr sei ein Gewinn von rund 355.000 Euro entgangen. Zuvor hatte ihr das Land die Gewerbeerlaubnis nach § 33i GewO versagt, weil eine Spielhalle als Vergnügungsstätte im Wohngebiet nicht zulässig sei. Die Unternehmerin legte Widerspruch ein. Zwischenzeitlich trat ein neues Spielhallengesetz in Kraft. Die Geschäftsfrau nahm den Widerspruch zurück und beantragte eine Genehmigung nach diesem Gesetz. Der Antrag wurde wegen fehlender Mindestabstände zur nächsten Spielhalle abgelehnt. Widerspruch und Klage blieben in beiden Instanzen vor den Verwaltungsgerichten ohne Erfolg.

Klage gegen das Land

Daraufhin ging die Gewerbetreibende gegen das Land vor. Sie machte vor dem LG Berlin geltend, die Erlaubnis nach § 33i GewO sei von den Beamten pflichtwidrig verzögert und dann zu Unrecht abgelehnt worden. Das Landgericht wies – in einer Besetzung mit drei Berufsrichtern – die Klage ab. Die Berufung der Spielhallenbetreiberin hatte vor dem Kammergericht Erfolg: Sie habe einen Anspruch auf Schadenersatz aus Amtshaftung nach § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG. Die Beamten hätten erkennen müssen, dass die verzögerte Entscheidung und die Versagung der Erlaubnis rechtswidrig gewesen seien.

BGH: Amtspflichten nicht schuldhaft verletzt

Das sah der BGH anders und reichte den Fall nach Berlin zurück. Aus Sicht der Karlsruher Richter hat das Berufungsgericht übersehen, dass der Anwendungsbereich der Kollegialitäts-Richtlinie eröffnet gewesen war. Danach dürften von einem Beamten nicht mehr Rechtskenntnisse erwartet werden als von einem gründlich arbeitenden und mit mehreren Richtern besetzten Gericht. Das LG habe die Rechtmäßigkeit der Amtstätigkeit der Beamten nach sorgfältiger Prüfung bejaht. Eine Spielhalle, so der BGH, sei im allgemeinen Wohngebiet vor allem dann unzulässig, wenn sie "kerngebietstypisch" ist und das Wohnen denkbar stört. Maßgeblich für diese Beurteilung sei die Größe des Betriebs. Bei Spielhallen gelte dabei ein Schwellenwert von 100 Quadratmetern Nutzfläche. Dieser werde bei einer Gesamtfläche von 182,5 Quadratmetern deutlich überschritten. Den Mitarbeitern könne auch keine Verzögerung vorgeworfen werden. Die Spielhallenbetreiberin habe mehrfach geänderte Pläne eingereicht, die weitere Besichtigungen zur Folge gehabt hätten. Prüfen müssten die Berliner Richter nunmehr die von der Unternehmerin mit Hilfsanträgen behauptete Verletzung von Aufklärungspflichten.

BGH, Urteil vom 09.07.2020 - III ZR 245/18

Redaktion beck-aktuell, 22. Juli 2020.

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