Aus rechtlicher Sicht, heißt es von Experten, handelte es sich bei den Klebe-Aktionen auf den Flughäfen Hamburg und Düsseldorf am vergangenen Donnerstag um einen Eingriff in einen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Der Düsseldorfer Flughafen, auf dem nach Angaben eines Sprechers 48 Flüge annulliert und zwei umgeleitet wurden, prüft inzwischen mögliche Ansprüche auf Schadensersatz.
"Für den Geschädigten stellt sich natürlich auch die Frage, ob es sich wirtschaftlich lohnt, Schadensersatzansprüche geltend zu machen", gibt Thomas Rüfner, Professor für Bürgerliches Recht an der Universität Trier, zu bedenken. "Denn wenn da ohnehin nichts zu holen ist, würde man durch so eine Klage letztlich nur ein Signal setzen." Und da man den Aktivisten zubilligen müsse, dass sie mit dem Klimaschutz zumindest ein moralisch gerechtfertigtes Ziel verfolgten, könne es auch sein, dass eine Organisation aus Image-Gründen auf eine Klage verzichte.
Aus Rüfners Sicht käme auch ein Ersatzanspruch wegen vorsätzlicher, sittenwidriger Schädigung in Frage. Die Blockade eines Flughafens werde wohl überwiegend als sittenwidrig angesehen, sagt er, bei Straßenblockaden werde das dagegen kontrovers diskutiert.
Privatinsolvenz befreit nicht immer von Forderung
Bei einer Straßenblockade mag der konkrete Schaden für die Aktivisten schwer einzuschätzen sein: Wird ein Lieferdienst mit verderblicher Ware im Stau aufgehalten? Kommt ein Krankenwagen zu spät ins Krankenhaus? Klebt sich jemand auf das Rollfeld eines internationalen Flughafens, sieht das schon anders aus.
Auch Florian Dallwig, Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Versicherungsrecht des Deutschen Anwaltvereins, ist überzeugt, dass es sich bei den Flughafen-Aktionen um einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb handelt. Er sagt: "Da würde sich eine ganz andere Schadenssumme berechnen lassen, sowohl was die Fluggesellschaft als auch die Betreibergesellschaft des Flughafens angeht."
Der Anwalt aus Hamm erklärt: "Für die Frage, ob jemand durch eine Privatinsolvenz von der rechtskräftig festgestellten Verpflichtung frei wird, diese Summe zu begleichen, ist es relevant, ob man annimmt, dass es sich um eine vorsätzliche Schädigung handelt." Dies könne von einem Zivilgericht durchaus so gesehen werden, da sich die Aktivisten in der Regel des strafbaren Mittels der Nötigung bedienten. "Dagegen spräche, wenn man die Verhinderung eines Klimanotstandes als ein legitimes übergeordnetes Ziel anerkennt."
Anders als bei einem fahrlässig herbeigeführten Schaden - etwa durch die Unachtsamkeit eines Autofahrers im Straßenverkehr - kommt eine Restschuldbefreiung bei jemandem, der einen Schaden vorsätzlich herbeiführt, auch im Falle eines Insolvenzverfahrens nicht in Betracht. "Die Summe kann damit über einen Zeitraum von bis zu 30 Jahren beigetrieben werden", sagt Dallwig.
Mögliche Haftung auch der Letzten Generation als Gruppe?
Er glaubt allerdings, dass Ansprüche gegen die Letzte Generation als solche nicht in Frage kämen. Vielmehr richteten sich diese gegen einzelne Aktivisten, die an der jeweiligen Aktion beteiligt sind, gegebenenfalls noch gegen Helfer. "Damit käme man dann an die Spenden, die von der Generation gesammelt werden, und die ja teilweise aus größeren Privatvermögen stammen, nicht heran", vermutet der Anwalt.
Rechtswissenschaftler Rüfner ist sich da nicht so sicher. Dass neben den Beteiligten auch die Letzte Generation zur Kasse geben werden könnte, hält er zumindest für möglich. Er sagt, die Gruppe sei als nicht rechtsfähiger Verein zu behandeln. Und soweit die Letzte Generation ein gemeinsames Vereinsvermögen gebildet habe, etwa durch Spenden, könnten Geschädigte darauf zugreifen.
Wenn es um Situationen gehe, in denen jemand eine Urlaubsreise wegen einer Blockade nicht antreten könne, sei die Rechtsprechung allerdings vorsichtig, was die Höhe des Schadens angehe, räumt er ein. Eindeutiger sei der Fall des mutmaßlichen Brandanschlags auf zwei SUV-Fahrzeuge in einem Autohaus in München vor einigen Tagen. Nach dem Brand war ein anonymes Bekennerschreiben aufgetaucht, in dem es heißt, die "Repression gegen Klimaaktivist*innen" solle nicht unbeantwortet bleiben. Deshalb habe man "in einem Schnellverfahren" die Fahrzeuge durch einen Brandsatz "zwangspensioniert und in den vorzeitigen Ruhestand versetzt". Ob das Schreiben von den möglichen Tätern stamme, sei aber völlig offen, hieß es von der Polizei. Rüfner sagt: "Wenn man der Täter habhaft wird, wird es - neben der strafrechtlichen Verfolgung - für das Autohaus unproblematisch sein, hier auch Schadensersatzansprüche geltend zu machen."
Krings: Verstärkter Flughafenschutz reicht nicht
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte, auf die Klebe-Aktionen an den Flughäfen angesprochen, neue Sicherheitsstandards angekündigt. Sie sagte: "Es wird demnächst tatsächliche Standards für die Betreiber kritischer Infrastruktur geben. Dazu gehören auch die Flughäfen, und das wird auch zu einer besonderen Sicherheit der Flughäfen weiterhin führen."
Der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Günter Krings (CDU), findet das zwar im Grundsatz richtig. Er meint jedoch, ein besserer Schutz des Flughafens könne hier nicht die einzige Antwort sein. Krings ermuntert Flughafenbetreiber und Fluggesellschaften, Schadensersatzansprüche zu stellen und den betroffenen Passagieren anzubieten, "ihre Ansprüche an sie abzutreten, um es dann gebündelt einzuklagen".
Seine Fraktion hatte in einem Antrag vom vergangenen November mit Blick auf Aktionen radikaler Klima-Aktivisten in Museen die Bundesregierung aufgefordert, "dafür Sorge zu tragen, dass Kultureinrichtungen des Bundes im Falle einer Schädigung von Kunstwerken durch Straftäter stets auch ihre zivilrechtlichen Schadensersatzansprüche gegen die Schädiger sowie ihre Anstifter und Hintermänner vollumfänglich durchsetzen."