Khashoggi-Fall: US-Regierung sieht saudischen Kronprinzen immun gegen Strafverfolgung

Nach Einschätzung der US-Regierung kann der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman wegen einer möglichen Beteiligung an der Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi in den USA nicht strafrechtlich verfolgt werden, da er Immunität besitze, solange er Ministerpräsident seines Landes sei. Hintergrund ist ein Rechtsstreit, den Khashoggis Verlobte Hatice Cengiz in den USA angestrengt hatte.

Anwälte: Nach Ernennung zu Ministerpräsidenten immun

Nach dem Mord an dem saudischen Regierungskritiker und Journalisten Khashoggi vor vier Jahren hatte seine Verlobte in den USA Klage gegen den saudischen Kronprinzen und andere eingereicht, denen sie eine Beteiligung an der Tötung des Reporters vorwirft. Khashoggi hatte unter anderem als Kolumnist für die renommierten US-Zeitung "Washington Post" gearbeitet. In dem Rechtsstreit argumentierten die Anwälte von Mohammed bin Salman Anfang Oktober schließlich, die Ernennung zum Ministerpräsidenten Ende September sichere dem Kronprinzen Immunität zu. Das Gericht solle die Klage daher abweisen.

US-Regierung teilt Einschätzung zu Immunität 

Ein Gericht in der Hauptstadt Washington bat das US-Justizministerium um eine Einschätzung zum Immunitätsstatus von Mohammed bin Salman. Als Regierungschef Saudi-Arabiens besitze er Immunität vor US-Strafverfolgung, hieß es nun in einem gerichtlichen Schriftstück des Justizministeriums, das am Donnerstagabend (Ortszeit) veröffentlicht wurde. Das Ministerium betonte, die US-Regierung habe gegenüber der saudischen Führung große Besorgnis über die "schreckliche Ermordung" Khashoggis zum Ausdruck gebracht und auch Sanktionen verhängt. Die Doktrin der Immunität des Staatsoberhauptes sei rechtlich jedoch fest verankert, unabhängig vom Gegenstand eines jeweiligen Rechtsstreits.

Khashoggis Verlobte macht Biden Vorwürfe

Khashoggis Verlobte Cengiz warf US-Präsident Joe Biden auf Twitter vor, er habe den "Mörder" und "Kriminellen" durch die Gewährung der Immunität gerettet und sich so selbst in das Verbrechen verwickelt. Auf die Frage, ob Biden die Entscheidung abgesegnet habe, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, am Freitag, der Präsident habe Kenntnis von dem juristischen Verfahren und der rechtlichen Festlegung. Es handele sich um eine Festlegung des Außenministeriums, die dann das Justizministerium auf Bitten des Gerichts vorgelegt habe. "Diese rechtliche Feststellung hat absolut nichts mit der Sache selbst zu tun", betonte er.

Vorwurf politischer Entscheidung zurückgewiesen

Biden habe sich sehr deutlich zu dem "brutalen, barbarischen Mord" an Khashoggi geäußert und sich dafür eingesetzt, das Regime dafür zur Rechenschaft zu ziehen, sagte Kirby weiter. Die juristische Festlegung habe auch nichts mit den bilateralen Beziehungen zwischen den USA und Saudi-Arabien zu tun, die derzeit bekanntermaßen angespannt sein. Präsident Biden sei weiter der Ansicht, dass das Verhältnis zu dem Land zu überdenken sei. Die Prüfung dazu laufe.

US-Geheimdienste machen Kronprinzen für Mord an Khashoggi verantwortlich

US-Geheimdienste beschuldigen Mohammed bin Salman, für den Mord an Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul durch ein Mordkommando 2018 verantwortlich zu sein. Der Kronprinz bestreitet, Drahtzieher der Tat zu sein. Der Mord hatte zeitweise zu einer internationalen Isolierung des Thronfolgers geführt und die Beziehungen vieler westlicher Staaten zu Saudi-Arabien in eine Krise gestürzt, auch das Verhältnis zu den USA. Sanktionen, die Bidens Regierung gegen Saudi-Arabien verhängte, verschonten Mohammed bin Salman allerdings.

USA kritisieren Saudi-Arabien wegen Zusammenarbeit mit Russland bei Förderkürzung für Öl 

Nach einer zwischenzeitlichen Wiederannäherung hatte Riad zuletzt erneut großen Ärger aus Washington auf sich gezogen, als das Land einer Förderkürzung für Öl zustimmte. Die US-Regierung kritisierte das scharf und wertete es als Unterstützung für den russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Saudi-Arabien und Russland gelten als die führenden Kräfte im Ölverbund Opec+, der die Drosselung der Ölförderung beschloss. Die USA hatten dagegen seit Monaten von der Opec+ ein Aufdrehen des Ölhahns gefordert – auch im Interesse der Weltwirtschaft.

Redaktion beck-aktuell, 21. November 2022 (dpa).