"Wir bleiben verheiratet": Keine Kompensation für nachteiligen Ehevertrag
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Ein Ehevertrag, der einen für einen Partner stark nachteiligen wechselseitigen Globalverzicht vorsieht, ist sittenwidrig, wenn der Verzicht nicht kompensiert wird. Allein die Fortführung der Ehe und die kostenfreie Mitwohngelegenheit gleicht diesen Nachteil nach Ansicht des Kammergerichts nicht aus.

Anderthalb Jahre, nachdem eine belarussische Lehrerin nach Deutschland kam und einen Deutschen heiratete, schloss sie mir ihrem Mann einen Ehevertrag, der für den Fall der Scheidung einen wechselseitigen Globalverzicht vorsah: Gütertrennung wurde vereinbart, der Versorgungsausgleich ausgeschlossen und nachehelichen Unterhalt sollte es nur für den Fall der Kinderbetreuung geben. Vorangegangen waren Monate der Drohung und Druck vonseiten des Mannes: Wenn sie den Vertrag nicht unterschreibe, werde er sich scheiden lassen, sie werde ihren Aufenthaltstitel verlieren und ausgewiesen. Da sie in ihrer Heimat alle Zelte abgebrochen hatte, würde sie "bei null anfangen" müssen. Sie unterschrieb – selbst für den Notar ersichtlich – unwillig unter Tränen.

Die folgenden Jahre begleitete sie ihren Mann auf mehrmonatigen Montageaufenthalten im Ausland, in denen er sehr gut verdiente. Sie selbst konnte während dieser Auslandsaufenthalte kein eigenes Einkommen erwirtschaften oder sich weiterbilden. Ihr Mann kaufte sich von seinen Ersparnissen während der Ehe eine Eigentumswohnung, in der sie beide lebten. 2020 ließen sie sich scheiden. Das Familiengericht erklärte den Ehevertrag für sittenwidrig und führte den Versorgungsausgleich durch. Hiergegen wehrte sich der Mann vor dem Kammergericht – vergeblich.

Klares wirtschaftliches Gefälle zu Gunsten des Mannes: Ehevertrag sittenwidrig

Der Vertrag hält auch nach Ansicht des Kammergerichts der Inhalts- und Ausübungskontrolle nach § 8 Abs. 1 VersAusglG nicht stand: Dem Verzicht auf den Versorgungsausgleich – ein Kernbereich des gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts – stehe keine Kompensation gegenüber. Daher sei der Vertrag nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig und nichtig (KG, Beschluss vom 28.08.2023 – 16 UF 21/23).

Es habe ein klares wirtschaftliches Gefälle zu seinen Gunsten bestanden, weil er Einkommen oberhalb der Beitragsbemessungsgrenzen der Sozialversicherungen erwirtschaftet habe, sie hingegen auf geringe Nebenerwerbstätigkeiten beschränkt war. Der 16. Zivilsenat betonte dabei, dass sie ihn auf seinen beruflichen Reisen regelmäßig begleitete, und es ihr deshalb nicht möglich war, eine eigene berufliche Karriere zu verfolgen. Es handele sich um eine Alleinverdienerehe. Auch die vom Ehemann angeführte "sowjetische" Sozialisierung beider Eheleute (beide seien "von der Erwartung einer beidseitigen Vollzeitberufstätigkeit durchdrungen gewesen") und der geringe Zuverdienst machten die Ehe nicht zu einer Doppelverdienerehe.

Hinzu kam nach Ansicht des KG die ausländerrechtliche Situation der Ehefrau: Nachdem sie in Belarus zugunsten der Ehe alles aufgegeben habe, hing ihr ausländerrechtlicher Status nach § 31 Abs. 1 AufenthG für die nächsten anderthalb Jahre vollständig an dem Bestand der Ehe. Eine Scheidung wäre gleichbedeutend mit dem Verlust des Aufenthaltstitels gewesen.

Das Kammergericht sah auch die subjektive Seite des § 138 BGB für erfüllt an: Zwar habe er sie nicht nach § 123 Abs. 1 2. Alt. BGB widerrechtlich bedroht, aber er habe seine Frau über Monate hinweg "weichgeklopft" und sie immer und immer wieder auf ihre hilflose Lage hingewiesen. Diese Lage habe er bewusst ausgenutzt und sie zum Abschluss des Vertrags gedrängt.

Eine Kompensation für den Verzicht des Versorgungsausgleichs verneinten die Berliner Richterinnen und Richter. Allein die Fortführung der Ehe und der mietfreien Mitwohngelegenheit für sie – worauf der Ehemann gepocht hatte – bildeten keine Kompensation im Sinne der Vorschrift.

KG, Beschluss vom 28.08.2023 - 16 UF 21/23

Redaktion beck-aktuell, rw, 19. Oktober 2023.